Durch die letzten Bereiche der Dauerausstellung tönt eine Polizeisirene. Quelle des alarmierenden Geräuschs ist ein Filmausschnitt, der an einem Großbildschirm ausgespielt wird.
Es geht in diesem Ausstellungskapitel um den Frankfurter Auschwitz-Prozess, der von Dezember 1963 bis August 1965 stattfand. Angeklagt waren ehemalige SS-Angehörige des KZ Auschwitz wegen Mord oder Beihilfe zum Mord. Das Gerichtsverfahren gilt als Wendepunkt im Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der Bundesrepublik.
Die Filmsequenz zeigt die Angeklagten, die nacheinander aus einem Polizeiwagen steigen, um das Gerichtsgebäude zu betreten. Einige halten sich ihre ledernen Aktentaschen vor das Gesicht, andere verdecken die Augen mit der Hand. Victor Capesius, der Apotheker von Auschwitz, blickt unverhohlen in die Kamera. Wir sehen ihm direkt in die Augen. Einem Mann, der seinem früheren jüdischen Kollegen bei der Ankunft in Auschwitz versicherte, seine Frau und seine kleinen Töchter gingen nur baden. Und dann steigt Wilhelm Boger aus dem Wagen. Er war in Auschwitz für die politischen Verhöre zuständig, sprich: er hat gefoltert – oft bis zum Tod. Mit seiner Tasche schlägt er auf die Kamera. Die Polizisten stehen unschlüssig daneben.
Der Prozess erfuhr weltweit mediale Aufmerksamkeit. Die Macher dieses Films kamen aus Kanada, um diese Szene einzufangen. Mit der Kamera reisten sie quer durch Deutschland mit der Frage, warum der Holocaust ausgerechnet in diesem Land initiiert wurde.
Wir zeigen nur einen zweiminütigen Ausschnitt, weil wir davon ausgehen, dass am Ende des Museumsrundgangs die Zeit und die Konzentration für den ganzen Film fehlen. Wenn Sie wissen möchten, welche Antworten die beiden Kanadier fanden, schauen Sie sich diesen beeindruckenden Film ganz an:
Memorandum by Donald Brittain & by John Spotton, National Film Board of Canada
Monika Flores Martínez, Ausstellungen