Reflexionen über die ehemaligen Online-Angebote Exilpresse digital und Jüdische Periodika in der NS-Zeit auf der Tagung »Zugang gestalten«
Ende Juni 2012 wurden die Online-Angebote Jüdische Periodika in der NS-Zeit und Exilpresse digital von der Deutschen Nationalbibliothek abgeschaltet. Dies stieß bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Museums auf Bestürzung, weil der Zugang zu den digitalisierten Zeitschriften – wie kürzlich hier beschrieben – von großem Nutzen für die tägliche Museumsarbeit war.
»In unserem Mitarbeiterkreis war das Projekt recht schnell bekannt und wurde seit sicher mehr als 15 Jahren genutzt. Zum Beispiel die Kuratoren, die unsere Ausstellung »Heimat und Exil« konzipierten, haben während der Vorbereitungen davon profitiert, schnellen Zugriff auf die digitalisierten Zeitschriften zu haben. Wir haben außerdem die Besucher unseres Lesesaals bei ihren Recherchen immer wieder auf das Angebot hingewiesen, die es dankbar angenommen haben.«
Ulrike Sonnemann, Leiterin der Bibliothek
Auf der Tagung »Zugang gestalten«, die vor einer Woche hier im Museum stattfand, erklärte Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), nun genauer, wie und warum es zur Abschaltung des digitalen Zugangs kam. Deutlich wird im folgenden Mitschnitt des Votrags nicht nur, wie reichhaltig das digitale Angebot einst war bzw. in den Räumen der DNB noch immer ist (vgl. auch die Liste der Zeitschriften auf der Website der DNB), sondern auch, dass diese Maßnahme durch eine strenge Auslegung des deutschen Urheberrechts unumgänglich erschien. Darüber hinaus weckte Asmus zumindest für die Jüdischen Periodika in der NS-Zeit Hoffnung, dass sie bei der nächsten Tagung damit nicht mehr unter der Überschrift »Zugang gescheitert« auftreten müsse, sondern vielleicht unter »Zugang wieder möglich«.
In der abschließenden Diskussion der Konferenz um die rechtlichen Rahmenbedingungen wurde das Beispiel der jüdischen Periodika erneut thematisiert:
Der Live-Blog von Mathias Schindler notierte während des Vortrags:
»13:54 Lesenswerter Hintergrundartikel auf irights.info über die Offlinestellung des Exilarchiv-Projektes.
14:00 Und jetzt wird sich langsam herausstellen, ob die Regelung zu den Vergriffenen Werken nicht deutlich praktikabler ist als die Regelungen zu Verwaisten Werken.
14:05 Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Eine Kultureinrichtung bemisst (korrekterweise) den Erfolg einer Digitalisierungsmaßnahme an der hohen Zahl von Beschwerden nach ihrer Abschaltung. Es ist so traurig.«
Auf Twitter wurde unter dem Hashtag #ke13 der Vortrag von Frau Asmus und der Vorgang insgesamt wie folgt kommentiert:
Öffentliche Institutionen sollen verwaiste Werke digitalisieren dürfen. Sylvia Asmus zu den Exilsammlungen der Nationalbibliothek. #ke13 — I&G Collaboratory (@IGcollaboratory) 29. November 2013
S. Asmus demonstriert am Bsp der Jüdischen Exilzeitungen, wie das Urheberrecht den Zugang zur Kultur behindert. #ke13 http://t.co/fCWqID89nM — Lene (@pluscha) 29. November 2013
Ziel war Zugänglichmachung wichtiger und sehr schwer zugänglicher Quellen. #exilpressedigital #ke13 — Ibd (@musdok) 29. November 2013
Wenn die Politik irgendwann im digitalen kulturellen Jetzt angekommen ist,wird das eine spannende Website sein: http://t.co/jSOfyTijXW #ke13 — jensbest (@jensbest) 29. November 2013
@jensbest Es war eine. Compactmemory ist es immer noch.
— Ibd (@musdok) 29. November 2013
„Zugriffsdaten waren sehr gut, Beschwerden nach dem Offline-nehmen sehr hoch.“, Dr. Sylvia Asmus zum Fall der Jüdischen Exilzeitungen #ke13 — OKF DE (@okfde) 29. November 2013
Grund für die Abschaltung keine konkreten Beschwerden, sondern Umdenken innerhalb der Institution. #exilpressedigital #ke13 — Ibd (@musdok) 29. November 2013
#exilpressedigital scheiterte, weil 200.000 Artikel digitalisiert wurden. dabei wäre von jedem Autor die Genehmigung notwendig gewesen #ke13 — KristinOswald (@Kristin_Oswald) 29. November 2013
Man muss neutral festhalten, dass das Ansinnen der Nazis, gewisse Urheber aus der Öffentlichkeit zu verbannen, vom UrhG erfüllt wird. #ke13 — Mathias Schindler (@presroi) 29. November 2013
#exilpressedigital könnte nach #UhG verwaiste Artikel ab 2014 online stellen, ist aber wegen Umfang der Nachweise kaum möglich #ke13 — KristinOswald (@Kristin_Oswald) 29. November 2013
Recherche nach Fundstellen soll wieder ermöglicht werden, ohne Digitalisat. #exilpressedigital #ke13 — Ibd (@musdok) 29. November 2013
Jüdische Periodika aus NS-Deutschland könnten unter der Regelung für vergriffene Werke wieder zugänglich gemacht werden. #ke13 — Ibd (@musdok) 29. November 2013
Aber: Übermittlung der Daten an DPMA, Lizenzgebühren. #jperiodika #ke13 Ibd (@musdok) 29. November 2013
Erkenntnis von #exilpressedigital: dank #UhG ist digitaler Zugang zu historisch wichtiger Literatur des 20. Jh. kaum möglich #ke13 — KristinOswald (@Kristin_Oswald) 29. November 2013
Derzeit: Digitalisierung von Exilmonographien durch DDB. Rechteklärung aber wesentlich einfacher, Gemeinfreies wird zugänglich. #ke13 — Ibd (@musdok) 29. November 2013
Keine rechtliche Lösung für verwaiste unpublizierte Werke im Archivbereich. Zb 3mio Fotos im Bundesarchiv. #ke13 Ibd (@musdok) 29. November 2013
Alle Live-Mitschnitte der Vorträge und Diskussionen auf der Konferenz »Zugang gestalten« finden Sie auf dem Vimeo-Kanal von irightsinfo.