Lebenswirklichkeiten. Jüdische Gegenwart in Deutschland
Unsere Fellow Karen Körber und ihr Forschungsvorhaben
Die Soziologin Karen Körber hat als erste Fellow des Jüdischen Museums Berlin von 2012 bis 2014 zum Thema Lebenswirklichkeiten. Jüdische Gegenwart in Deutschland geforscht.
Forschungsvorhaben
Im Rahmen ihres Fellowships schloss Karen Körber die erste bundesweite quantitative und qualitative Erhebung zur Gruppe der jungen russischsprachigen Jüd*innen in Deutschland ab. Mithilfe einer Online-Befragung wurden zwischen Oktober und Dezember 2013 267 Frauen und Männer zwischen 20 und 40 Jahren innerhalb und außerhalb der Jüdischen Gemeinden befragt. Zudem wurden mit dreißig jungen Erwachsenen leitfadengestützte, offene Interviews geführt, die Hälfte davon in Berlin, der Stadt mit der größten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, und weitere 15 Interviews im Bundesgebiet. Zu den zentralen Themen der Untersuchung gehörten u. a. Fragen nach den Bildungs- und Berufsverläufen, den privaten Lebensformen, den jüdischen Identitätsmustern und Praktiken, nach der Wahl der sozialen Zugehörigkeiten sowie danach, wie sich die Zugehörigkeit zu Deutschland gestaltet, welche transnationalen Bezüge sich beobachten lassen und welche Praktiken der Verortung darin ausgebildet werden.
Zentrale Ergebnisse der Studie
- Die russisch-jüdischen Migrant*innen der zweiten Generation bejahen eine jüdische Identität. Im Unterschied zu ihren sowjetisch geprägten Herkunftsfamilien identifizieren sich die jungen Erwachsenen selbstbewusst als Jüd*innen.
- Diese Hinwendung zum Judentum geht mit einer mehrheitlich säkularen und liberalen Auffassung des Jüdischseins einher und mit einer Abwanderung aus den Jüdischen Gemeinden. Über ein Drittel der Befragten gehört keiner Gemeinde an. Jüdischsein wird für die Befragten viel stärker durch die jüdische Kultur, jüdische Feste, Filme und Musik als durch jüdische Religion bestimmt.
- Die Erwerbssituation der Befragten ist überdurchschnittlich gut, wobei diese Migrant*innengruppe von ihren hohen Bildungsabschlüssen profitiert. Im Vergleich mit ihren Eltern, die nach der Einwanderung stark von Arbeitslosigkeit und prekären Erwerbssituationen betroffen waren, sieht sich die zweite Generation klar als Aufsteiger.
- Für die Zukunft der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland wünschen sich die Befragten ganz überwiegend ein säkulares, pluralistisches und europäisches Judentum.
Zentrale Ergebnisse der Untersuchung wurden erstmals auf der internationalen Konferenz Contemporary Jewish life in a global modernity: Comparative European perspectives on a changing diaspora vorgestellt, die am 11. und 12. Dezember 2014 im Jüdischen Museum Berlin stattfand. Sie beschäftigte sich mit der Frage, welche Chancen, Herausforderungen und Konflikte sich für die jüdische Gegenwart in einem ethnisch, kulturell und religiös pluralen Europa stellen.
Publikationen
Karen Körbers Studie wird in der wissenschaftlichen Reihe Schriften des Jüdischen Museums Berlin erscheinen.
Bereits erschienen ist der von ihr herausgegebene Sammelband Russisch-jüdische Gegenwart in Deutschland. Interdisziplinäre Perspektiven auf eine Diaspora im Wandel (Vandenhoeck & Ruprecht, 2015).
Ermöglicht durch die Freunde des Jüdischen Museums Berlin