Am 100. Geburtstag von Julia Child habe ich mir den Film »Oma & Bella« angeschaut.
Oma und Bella haben mit Julia Child gemeinsam, dass sie gern kochen. Sie sind nicht 100, aber immerhin 84 und 88. Oma und Bella wohnen in Berlin. Vor fünfzig Jahren sind sie ins »Las Vegas« tanzen gegangen, heute gehen sie ins »Chalet Suisse« im Grunewald und trinken Berliner Weiße. Omas Enkelin hat sie gefilmt. Unter der Trockenhaube, auf der Dampferfahrt, vor dem Fernseher und immer wieder beim Kochen in Omas Küche.
Oma und Bella sind Holocaust-Überlebende. Die Enkelin fragt sie danach, doch anstatt von ihrer Überlebensgeschichte, sprechen sie vom Nicht-darüber-reden-können. Sie trinken Kaffee mit einer Freundin, die in Auschwitz war. Auch sie sagt nichts, außer dass das keine Telefonnummer auf ihrem Unterarm ist und sie nichts sagen will.
Einzelne Erinnerungen kommen zur Sprache. Oma erwähnt einen Mann, der sie und ihr Kind verlassen hat und einen anderen, der noch im Tod schön war. Bella redet vom Lächeln auf dem Gesicht ihres toten Vaters, der sich lieber erhängte als von den Deutschen verhaftet zu werden. Sie sagt auch, sie konnte nicht schlafen, sie hat von jemandem aus dem Ghetto geträumt. Der lebt nicht mehr. Man will wissen, wer er war und was ihm passiert ist. Man will mehr hören von den Dingen, über die sie nicht spricht.
Die Enkelin fragt, aber echte Antworten bekommt sie nicht. Und damit auch ich nicht in meinem Kinositz. Oma und Bella sprayen sich das Haar und kochen. Es ist ihr Recht zu schweigen.
Oma & Bella (Regie: Alexa Karolinski, 2012) läuft seit dem 23. August bundesweit im Kino
Monika Flores Martínez, Ausstellungen