Veröffentlicht von am 20. Juni 2013 0 Kommentare

Sind das die jüdischen Rebellen von morgen?

Haus mit Baum und Wiese

Alpines Jugendhotel

Was ist das Neueste vom Neuen in der jüdischen Jugendszene? Um das herauszufinden, fuhr ich in ein entlegenes Alpendorf zu einem Machane, einem Sommercamp, wo sich unter achtzehnjährige jüdische Jugendliche aus Europa trafen. In der Erwartung, dort jüdische Ideen, Themen, Trends und das Mem der Zukunft auskundschaften zu können, hielt ich Augen und Ohren offen für interessante Modeerscheinungen, coole Musik, neue Medien, Spiele, Slang und Speisen.

Auslöser meiner Suche war der Gedanke an die vielen Neuerungen, die von der gegenwärtigen Generation herbeigeführt wurden. So haben Abweichler ihren traditionellen Tallit (Gebetsmantel) durch eine bunte Variante mit Lilien und Regenbogen ersetzt. Andere haben Trip-Hop-Versionen von jüdischen Liedern produziert, einen Matza Rap und Parodien auf Geschichten aus dem Alten Testament auf YouTube hochgeladen.

Fotokopie

Birkat Hamazon (Tischgebet) auf Deutsch und Hebräisch

Vor diesem Hintergrund war ich fasziniert von dem, was sich mir in dem alpinen Jugendhotel bot: Fünfunddreißig Kinder und Jugendliche in Jogginghosen und blauen T-Shirts mit Davidstern und Tierzeichnungen probten Gitarre, sangen jüdische Lieder und übten das Birkat Hamazon (Tischgebet nach der Mahlzeit). In den Gruppendiskussionen ging es um Israel und Medienberichte über jüdische Themen. In ihrer Freizeit spielten die Jugendlichen Tischtennis. Außerdem warfen sie mit Dartpfeilen nach Luftballons, die an einer Pinnwand hingen, und veranstalteten Spaghetti-Wettessen, nur mit Löffel ausgestattet. Die Mütter unter den freiwilligen Begleitpersonen backten Challa für den Schabbat. Einige Mädchen nahmen andere Huckepack oder rutschten das Treppengeländer hinunter, wenn die Madrichim, die Freizeitbetreuer, nicht hinsahen.

Weit und breit keine Body-Art, keine Media-Apps, keine Sponti-Massenaktionen.

Handgeschriebenes Schild auf rotem Papier

Türschild Madrichim (Betreuer)

Wie ist der vitale Traditionalismus dieser Jugendlichen zu verstehen? Als Zeichen mangelnder innovativer Energie? Das wäre ein Trugschluss. Ich vermute eher, das Gegenteil trifft zu. Diese jungen Leute waren dabei, mit echt rebellischem Elan die Neuerungen ihrer Eltern zu unterwandern und traditionelle Aktivitäten zu fördern.

Naomi Lubrich, Medien

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