Veröffentlicht von am 30. August 2013 1 Kommentar

Nachhaltige Verstörung

44 Portraits hängen an der Wand, davor schwarze Bänke, auf denen iPads liegen

Bereich zum Majdanek-Prozess in der Dauerausstellung
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Alexander Zuckrow

Seit einigen Wochen hängen 44 Porträts in der Dauerausstellung: Die Gemäldeserie von Minka Hauschild mit dem Titel »Majdanek Prozessportraits« zeigt Beteiligte des Majdanek-Prozesses, der vom 26. November 1975 bis zum 30. Juni 1981 am Düsseldorfer Landgericht stattfand. Steht man vor der Wand mit den Porträts, stellt sich unwillkürlich die Frage: »Wer ist hier wer?« Ob es sich um einen ehemaligen Häftling oder SS-Mann handelt, beantworten die Gemälde selbst nicht. Einige Porträts wirken realistisch, bei anderen scheinen die Gesichter verzerrt oder sind bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Die Menschen auf ihnen wirken alle, als hätten sie in gewisser Weise Schaden genommen. Die Porträts haben etwas zutiefst Verstörendes.

Ob ein Bild den Richter, einen Verteidiger, einen Zeugen oder Angeklagten darstellt, erfahren unsere Besucher auf den iPads, die auf den Sitzbänken vor der Gemäldewand liegen. Hier wird nicht nur die Rolle geschildert, die die Personen im Majdanek-Prozess innehatten. Man erhält auch einen kurzen Einblick in ihre Biografie und – wenn die Quellen es ermöglichen – in ihre Wahrnehmung des Gerichtsverfahrens.  weiterlesen


Veröffentlicht von am 26. August 2013 2 Kommentare

Die ganze Wahrheit:

ein immerwährendes Gespräch

Es gibt Menschen, die die Ausstellung »Die ganze Wahrheit« nicht nur ein oder zweimal, sondern ein paar Dutzendmal besuchen: wir Guides, die unsere Besucher durch die Ausstellung begleiten. Diesmal haben wir nicht die Aufgabe, die Exponate und ihren Hintersinn vorzustellen, sondern dem Publikum, der sehr konkreten Öffentlichkeit, Stellungnahmen zu entlocken und die entstehende Diskussion zu moderieren. Schließlich kommen die Fragen, an denen sich die Ausstellung entwickelt, ebenfalls von Besuchern. Das Museum spiegelt sie an einer Vielzahl von Objekten, die die Kuratorinnen dazu ausgesucht haben.

Fünf Säulen zum Einwerfen von Jetons mit den Aufschriften: »geschäftstüchig?«. »tierlieb?«, »einflussreich?«, »intelligent?«, »schön?«

Barometer zu der Frage »Sind Juden besonders …?« in der Ausstellung »Die ganze Wahrheit«
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Linus Lintner

Die Exponate sind sehr verschieden und durchweg überraschend – der Tonfall, den sie anschlagen, variiert. So reagieren die meisten Besucher zunächst verblüfft und sprachlos vor der Chuzpe einiger Arrangements. Doch sobald man sich als Gruppe durch die Ausstellung bewegt und es mit seiner Begleitung zu tun bekommt, ergänzen sich die verschiedenen Sprachlosigkeiten beredt.  weiterlesen


Kunst zum Mitnehmen

Ein grauer, leicht rostiger, alter Warenautomat

So sah der Automat anfangs aus.
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Gelia Eisert

Normalerweise ist ein Museum ein Ort, an dem man Kunst aus einem gesicherten Abstand betrachtet. Das wird mit dem »Kunstautomaten«, den wir heute in unserer Dauerausstellung aufstellen, anders: Durch den Einwurf von 4 Euro können Sie nun Kunst aus dem Museum mit nach Hause nehmen!
Wenn Sie sich unter einem »Kunstautomaten« ein High-Tech-Gerät vorstellen, das Kunst produziert, die man sich wie bei einem Getränkeautomaten aus einem Sortiment ziehen kann, liegen Sie allerdings falsch. Unser Kunstautomat beherbergt viele kleine Kunstwerke, die von Künstlern extra dafür hergestellt wurden.

Weil so ein Apparat nicht handelsüblich ist, ersteigerte ich im Internet einen alten Warenautomaten aus den 1970er Jahren. Er befand sich in einem Sportcenter in Rheinland-Pfalz und musste von dort antransportiert werden.

Ein weiß lackierter Warenautomat mit der Aufschrift »Kunst / Art«, mit pinken Bändern an eine Wand mit der Aufschrift »Schteh-Café« gebunden

So sollte der Automat nach der Umgestaltung aussehen.
© Entwurf: Hanno Dannenfeldt

Im Anschluss erarbeitete der Graphiker Hanno Dannenfeldt ein Gestaltungskonzept, denn der Automat sollte nicht nur ›Hülle‹ für die Kunstwerke in den kleinen Fächern sein, sondern zugleich selbst ein Ausstellungsobjekt. Der Entwurf »Hanging« kleidete den Automaten in schlichtes, deckendes Weiß mit prägnanter schwarzer Aufschrift. Mit pinken Slacklines wird er an die Wand geschnürt.

Die nächsten Arbeitsschritte stellten mich als Museumsmitarbeiterin vor ungewöhnliche Fragen:  weiterlesen