Gespräch mit Andrei Krioukov
Andrei Krioukov hat für den Kunstautomaten Coca-Cola-Dosen mit hebräischer und arabischer Aufschrift bearbeitet und zerquetscht. Ich traf ihn und seine Frau Rita in ihrer gemeinsamen Kunstschule in der Immanuelkirchstraße. Dort unterrichtet Andrei internationale Studenten, die sich bei ihm ausbilden und staatlich anerkannt prüfen lassen.
Im persönlichen Gespräch erzählt Andrei von seiner Faszination für das Design der berühmten Dosen und erklärt, was daran Müll und was daran Kunst ist.
Christiane Bauer: Andrei, was fasziniert dich an einer Coca-Cola-Dose?
Andrei Krioukov: Eine Dose ist typisch für unser Leben heute. Überall findet man sie, aber fast niemand bemerkt sie. Für mich ist dabei auch die Diskrepanz zwischen Müll und Kunst spannend: Wenn eine Dose auf der Straße liegt, ist sie einfach nur Müll. Aber wenn ich sie aufhebe und sie genau betrachte und mir überlege, was ich daraus mache, dann wird daraus Kunst.
Ein Künstler aus dem 19. Jahrhundert malte Knoblauch, eine Zwiebel oder einen Krug. Heute ist unser Leben voll mit den Coca-Cola-Dosen.
Der Krug wurde als Alltagsgegenstand in einem Stillleben abgezeichnet. Welche Wertigkeit hat die Dose? Betrachtest du eine Coca-Cola-Dose als Wegwerfartikel oder als modernes Kulturgut?
Manche Leute denken, dass ich die Marke Coca-Cola male. Aber ich male nicht Coca-Cola, sondern den typischen Müll unserer heutigen Zeit, den es überall auf den Straßen gibt: in Israel, Palästina, Amerika oder China. Die zerquetschte Coca-Cola-Dose könnte man als eine Globalisierungsikone betrachten.
Inwiefern liegt Kritik in der zerquetschten Coca-Cola-Dose?
Es gibt darin keine Kritik. Coca-Cola ist einfach eine sehr starke Marke. Und das ist nicht schlimm. Wir alle (be)nutzen sie. Neben der Globalisierungsikone geht es auch um das kurze Glücksgefühl, das wir haben, wenn wir eine Dose kaufen und genießen.
Für mich ist die Dose zudem eine sehr interessante Form. Erst ist sie ein klassischer Zylinder, aber wenn sie zerquetscht wird, erhält sie eine neue, viel interessantere Gestalt. Dabei entsteht auch ein neues grafisches Muster.
Hast du Standards, wie du die Dose zerquetschst?
Vor jeder Bearbeitung schaue ich mir die Dose genau an und überlege, welche Form interessant wäre und welche Muster sich daraus dann ergeben. Im eigentlichen Sinne mache ich keine zerquetschte Dose, sondern eine kleine Skulptur. Es geht um die Falten, die bei der Bearbeitung entstehen, um die Unter- und Oberseite der Dose und die Schrift und den Strichcode, das soll am Ende ein interessantes Objekt sein. Praktisch arbeite ich wie ein Bildhauer. Dafür braucht man einen besonderen Blick und ein Verständnis von Form. Auch beim Malen mache ich keine Kopie von der Dose, sondern ich sehe sie mir genau an und überlege, wie der Rhythmus der Dose auf die Leinwand zu bringen ist.
Seit wann beschäftigst du dich mit dieser Form?
Seit ca. vier Jahren. Wir kamen aus Kassel nach Berlin und ich war auf der Suche nach etwas Neuem.
Damals hatten wir unsere Kunstschule in der Kulturbrauerei. Freitags und samstags feiern dort viele Leute in den großen Clubs. Am Sonntag war das ganze Gelände voll mit Dosen, Bierflaschen und Kronkorken. Auf einmal habe ich verstanden: »Das ist mein Thema!« Ich bin sprichwörtlich darüber gestolpert.
Kannst du mir noch mehr zu der von dir entwickelten Form des Einwegrealismus erzählen? Was ist das genau und wie bist du auf das Konzept gekommen?
Einwegrealismus ist der Begriff, den ich selbst geprägt habe, denn die Objekte, mit denen ich arbeite, sind Einwegobjekte. Wir benutzen sie nur einmal. Das ist keine Tragödie, denn wir leben auch nur einmal. Alles, was in unserem Leben passiert, ist einmalig. Das ist wie ein Schema, das die Coca-Cola-Dose für mich auch ausdrückt. Wir benutzen sie, trinken den Inhalt und dann werfen wir sie weg.
Und kannst du dich noch an deine erste Coca-Cola erinnern, die du getrunken hast?
Das erste Mal habe ich Coca-Cola in Bulgarien gesehen. Das war 1986.
Die Leute dort hatten ein anderes Lebensgefühl als in Russland. Es war warm und im Allgemeinen interessanter. Ich war schon viele Male am Schwarzen Meer, aber auf der bulgarischen Seite hatte das Meer eine ganz andere Farbe! Auf der russischen Seite guckt man immer gegen die Sonne. Daher sah ich keine Farben. Auf der bulgarischen Seite, das ist schon im Westen, da gucke ich aufs Meer und die Sonne blendet mich nicht.
In Bulgarien gab es bereits Pizzerien. Ich habe das alles zum ersten Mal gesehen und dort habe ich zum ersten Mal Coca-Cola getrunken. (lacht)
Vielen Dank für das Gespräch!
Für weitere Informationen zu Andrei Krioukov besuchen Sie seine Website unter www.krioukov.de oder die der Kunstschule von Andrei und Rita Krioukov »Schule für bildende Kunst und Gestaltung«: www.kunstschuleberlin.de