Die drei Autorinnen unterzeichnen ihr Buch
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Svea Pietschmann
Vor Kurzem stellten Alice Bota, Khuê Pham und Özlem Topçu ihr Buch »Wir neuen Deutschen. Wer wir sind, was wir wollen« in der Akademie des Jüdischen Museums Berlin vor. Mit etwa 100 Besucherinnen und Besuchern diskutierten die drei Zeit-Journalistinnen, was Deutschsein im 21. Jahrhundert bedeuten kann. Im Vorfeld der Veranstaltung stellten wir den drei Autorinnen mehrere Fragen, unter anderem: »Was hat Sie dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben?« Sie antworteten:
»Wir drei sind Kolleginnen. Alle drei Politikredakteurinnen. Alle drei Kinder von Ausländern. Wir haben festgestellt, dass wir zwar dennoch sehr unterschiedlich sind, aber eines gemeinsam haben: Eine Wut auf jene, die uns sagen wollten, wer wir sind. Mit dem Buch wollten wir uns diese Wut von der Seele schreiben, uns selbst benennen und unsere Familiengeschichten teilen. Wir wollten aufzeigen, dass Geschichten von Einwanderern nicht immer nur von Scheitern handeln, sondern auch davon, dass gebrochene und gemischte Biografien und Identitäten auch zu persönlichen Erfolgen führen können.« → weiterlesen
Gisela und Philipp Kozower mit ihrer Tochter Eva im August 1932
© Friends of the Jewish Museum New York, Princeton; Schenkung von Klaus M. Zwilsky
Philipp Kozower ist 37 Jahre alt und Rechtsanwalt, als er 1931 die 23-jährige Medizinstudentin Gisela heiratet. Ein Jahr später bringt Gisela ihr erstes Kind zur Welt: Eva. Die frischen Eltern lassen sich mit ihrem Baby im Berliner Monbijou-Park ablichten. Auf dem Foto trägt Gisela ein helles Kleid und einen Strohhut. Das schlafende Kind hält sie – etwas ungelenk – in die Kamera, als sollte dokumentiert werden, dass es existiert.
Als im Jahr 1934 Evchens Schwester Alice geboren wird, haben die Nationalsozialisten bereits viele Maßnahmen getroffen, um Juden systematisch vom öffentlichen Leben auszuschließen. Unser online-Projekt »1933: Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums« erzählt anhand von Dokumenten aus dem Archiv des Jüdischen Museums Berlin, was diese Maßnahmen für deutsche Juden bedeuteten. Auf die Geschichte der Familie Kozower gehen wir mit Fotografien und Briefen in einer Vitrine unserer Dauerausstellung ein. → weiterlesen
Wenn man unseren Bibliothekskatalog nach Goethe befragt, könnte man auf diese Idee kommen: 70 Treffer von und über den deutschen Dichter (bei Schiller sind es 16). Und in unserer Dauerausstellung stand vor einigen Jahren noch die stattliche Goethe-Ausgabe der Cotta’schen Buchhandlung aus dem Jahr 1867. Viele Besucher fragten damals unseren Besucherservice: »War denn Goethe auch ein Jude?« Nein, war er nicht, aber er galt vielen deutschen Juden als Inbegriff der deutschen Kultur und seine Werke symbolisierten die Zugehörigkeit zum deutschen Bildungsbürgertum.
Ehemalige Goethe-Installation in der Dauerausstellung
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Marion Roßner
Vor einigen Monaten hat uns die Richard M. Meyer Stiftung über hundert Bücher von und über den Bankierssohn, Kunstsammler, Literaturwissenschaftler und eben Goethe-Forscher Richard M. Meyer geschenkt. Meyer hat nie eine ordentliche Professur bekommen, seine 1895 erschienene Goethe-Biographie wurde prämiert und in zahlreichen mehr- und einbändigen, Vorzugs- und Volksausgaben aufgelegt. Darin heißt es, Goethe habe »die Nationalitäten nur als Übergangsformen« angesehen (Volksausgabe 1913, S. 352). Solche Äußerungen veranschaulichen das Dilemma deutsch-jüdischer Assimilation dieser Zeit. Rückte ein jüdischer Interpret Goethes Kosmopolitismus in den Vordergrund, setzte er sich dem Vorwurf aus, das deutsche Wesen zu verkennen; → weiterlesen