Unser Kunstautomat enthält ein kleines Buch, das Einblick in die Lebenswelt der israelischen Kibbuzim gibt. Durch die schlichten, schwarzen Zeichnungen und Texte, die auf Originaldokumenten basieren, stellt die Künstlerin Atalya Laufer (geb. 1979) einen besonderen Aspekt der Kindheit im Kibbuz Hasorea heraus. Zu einem der letzten Jahrgänge gehörend, die in einem Kinderhaus aufwuchs, das von Erziehern geleitet wurde, entführt sie uns in diesem Booklet in die vergangene Welt der Kibbuzim.
Die Texte des Booklets basieren auf Dokumenten aus den frühen 1970er Jahren. In den Kinderhäusern wurde über jedes Vorkommnis innerhalb einer Nachtschicht Buch geführt. So kann man heute noch nachvollziehen, wie der Alltag im Kinderhaus aussah.
»Ich kenne es einfach nicht, bei den Eltern zu wohnen. Es fasziniert mich, dass ich als Kind nach einem schlechten Traum zu einem Sprachrohr im Flur gegangen bin und nach der Aufseherin gerufen habe – in der Hoffnung, dass jemand kommt. Heute erscheint mir das fremd.«
Die Namen der Kinder im Booklet sind von Atalya Laufer frei aus dem Hebräischen übertragen worden. Wie oft bei israelischen Namen sind es Tiere, Bäume oder Rufnamen biblischen Ursprungs. Durch die Übersetzungsarbeit schafft sie Distanz zum Originalmaterial. Gleichzeitig entwickelt sie ein rätselhaftes Narrativ, das zwischen Kinderbuch und surrealistischer, dunkler jedoch humorvoller Erzählung zu verorten ist.
Die Zeichnungen wiederum spielen assoziativ mit dem Text und den darin erwähnten Namen. Sie basieren auf Fotografien aus dem Kibbuz und auf Gemälden von Pieter Bruegel. Ganz leicht lässt sich die Verknüpfung von flämischer Historien- und Genremalerei und israelischen Kibbuz-Leben nicht herstellen. Laufer erklärt:
»Bruegel ist für mich schon immer mit dem Kibbuz verbunden. Wenn ich mich nicht irre, hatten wir im Kinderhaus einen Kunstdruck oder meine Eltern besaßen ein Buch von ihm. Natürlich ist es auch so, dass er heutzutage für seine geheimnisvolle Darstellung des bäuerlichen Lebens geschätzt wird. Den Vergleich zwischen Kibbuz und bäuerlichem Leben finde ich interessant. Diese ›geheimnisvollen‹ angeborenen Strukturen, Bräuche, Sprachen und Rituale, die man von ›draußen‹ schwer versteht, wirken sehr faszinierend.«
Der Prozess der künstlerischen Aneignung einer Vorlage beginnt für Atalya Laufer mit dem Abzeichnen einer Reproduktion des Originals. Nach dem direkten Übertragen gibt sie dem Motiv ihre eigene Form, indem sie mehrere Schichten übereinander malt und die Bilder zu einem komplexen Gebilde aus feinen Linien spinnt. Ähnlich ist es mit dem Text, der auch aus mehreren Textausschnitten collagiert wird.
Laufer spricht von ihren Werken als »Angeeignete Readymades«. Das Buch ist also weder biografisch noch fiktiv und lässt sich schwer in eine Schublade stecken. Mit ein bisschen Glück können Sie jedoch bei Ihrem nächsten Besuch hier im Museum eines der Booklets aus einem Fach des Kunstautomaten ziehen. Blättern Sie durch ein paar Seiten des kleinen Buchs und gewinnen Sie einen Eindruck von Atalya Laufers Kunstwerk.
Mehr über Atalya Laufer erfahren Sie auf ihrer Website: http://www.atalyalaufer.turnpiece.net/image/34715
Christiane Bauer, Ausstellungen