Veröffentlicht von am 28. Juli 2014 0 Kommentare

Freundschaft zum Anfassen

Ein Gespräch mit Lina Khesina

Am 30. Juli ist Internationaler Tag der Freundschaft. Wie aber gedenken wir der Freundschaft? Oder wie können wir sie sichtbar machen? Dazu haben wir die Kommunikationsdesignerin Lina Khesina befragt. Sie hat zwei Freundschaftsknöpfe erfunden, die man derzeit mit etwas Glück aus dem Kunstautomaten in unserer Dauerausstellung ziehen kann. Auf dem einen steht in hebräischer Schrift »Tsemed«, auf dem anderen »Chemed«.

Die zwei Knöpfe werden auf der Handfläche liegend gezeigt

Knöpfe mit dem Schriftzug »Tsemed« und »Chemed«.
Foto privat, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Lisa Albrecht: Lina, warum hast Du genau dieses Objekt für den Automaten entwickelt?
Ich hatte die Idee, die Schönheit der hebräischen Sprache zu zeigen und sie in den Alltag zu übertragen. Ich selbst spreche zwar kein Hebräisch, aber vom Klang her ist es für mich neben dem Spanischen die schönste Sprache. Ich wollte das Hebräische also auch für mich entdecken und Wortkonstellationen in dieser Sprache finden, mit denen ich spielen kann. Daraus sind dann die Knöpfe mit diesem Wortspiel entstanden.

Wie bist auf dieses Wortspiel gekommen?
Im Russischen werden beste Freunde oft »nje rasléj wodá« genannt, was so viel bedeutet wie »das Wasser kann diese Verbindung auch nicht zerstören«. Ich habe dann nachgeforscht, ob es im Hebräischen auch so eine Wendung gibt und daraufhin von »Tsemed Chemed« erfahren. Das bedeutet wörtlich übersetzt etwa »süße Verflechtung« oder »entzückendes Paar« und im übertragenen Sinn »dicke Freunde«.

Was haben diese beiden Worte mit den Knöpfen zu tun?
Die Knöpfe werden mit einem Faden angenäht und gehen dann eine Verflechtung mit dem Stoff ein. Eine ähnliche Konstellation besteht auch zwischen Freunden, selbst wenn sie tausende Kilometer voneinander getrennt sind. Sie sind wie die Knöpfe durch Faden und Spruch miteinander verbunden.

Inwiefern spielt die Verbindung über Distanzen eine Rolle für Dich?
Ich glaube, heutzutage haben wir alle irgendwo auf anderen Kontinenten Freunde, die wir nicht mehr so oft sehen. Natürlich gibt es jetzt die Verbindung über das Internet. Im Unterschied zu dieser kann man die Verbindung mit einem Freund durch einen Knopf aber auch anfassen. Das hat etwas Persönliches, etwas Schönes – wenn man den Knopf nicht sofort verliert.

Ein Haufen hölzener Knöpfe

Die Knöpfe vor der Färbung.
Foto privat, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Wie bist Du auf die Idee gekommen, ausgerechnet Knöpfe zu entwerfen? Ansonsten arbeitest Du ja vor allem als Illustratorin, oder?
Knöpfe können ein Symbol dafür sein, etwas mit etwas anderem zu verbinden. Im Grunde genommen haben sie sogar nur diese Funktion. Und obwohl ich Knöpfe gewählt habe, bin ich doch im Medium Illustration oder Grafikdesign geblieben – nur eben auf einem anderen Material. Aber eigentlich ist es dasselbe: Es ist Gebrauchsgrafik, kein bloßes Souvenir, das in ein Regal gestellt wird, sondern etwas, das eine Funktion hat und weiterleben kann.

Die Künstlerin beschriftet die vielen Knöpfe, die vor ihr auf dem Tisch liegen

Beschriftung der Knöpfe.
Foto privat, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Wie hast Du die Knöpfe genau hergestellt und bearbeitet?
Sie wurden mit einem Laser ausgeschnitten und haben am Anfang sehr schön nach Holz gerochen. Dann habe ich zuerst die eine Seite und dann die andere Seite gefärbt. Anschließend habe ich die Wörter hinzugefügt, zweihundertmal. Zur Sicherheit hab ich immer wieder geschaut, ob ich sie wirklich richtig schreibe, denn bei »Tsemed« und »Chemed« unterscheidet sich nur der erste Buchstabe. Zum Schluss habe ich die Knöpfe lackiert und sie dann verpackt.

die Knöpfe mit Verpackungsdesign

Das fertige Kunstwerk von Lina Khesina
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

Und was sollen unsere Besucher mit den Knöpfen tun?
Wer diese zwei Knöpfe bekommt, hat entweder schon einen Freund neben sich stehen – weil man eher selten allein ins Museum geht – oder man hat jemanden im Kopf, mit dem man die Verbindung durch diesen Gegenstand noch verstärken möchte. Der Knopf kann zum Beispiel an ein Kleidungsstück, in ein Buch oder an einen Rucksack genäht werden, sodass man ihn immer dabei hat.

Trägst Du selbst einen Deiner Knöpfe?
Leider habe ich alle Knöpfe abgegeben. Aber wenn ich noch ein Exemplar hätte, würde ich es tragen.

Und wem würdest Du den dazugehörigen Knopf geben?
Da fallen mir mehrere Leute ein. Aber dann ist es nicht mehr interessant. Man muss schon einen richtig-richtigen Freund finden, den einzigen, der das darf, damit man selbst auch nur einen Knopf hat. Ich glaube, ich würde den zweiten Knopf nach Weißrussland schicken zu einer Freundin, die mich zu vielen Sachen inspiriert. Sie ist Musikerin und Puppentheater-Regisseurin und wir machen zurzeit ein kleines Puppentheaterstück zusammen.

Apropos richtige Freundschaft: Was genau zeichnet denn »dicke Freunde« für Dich aus?
Unter richtigen Freunden kann man so sein, wie man ist – und nicht jemand anderes, so wie man es sich manchmal wünscht. Freunde zu haben ist wichtig, damit man sich selbst treu bleibt.

Vielen Dank für das Gespräch, Lina!

Porträt von Lina Khesina

Lina Khesina
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Lisa Albrecht

Mehr von und über Lina Khesina finden Sie auf ihrer Website www.flyingfly.de und am 30. Juli im Jüdischen Museum Berlin, denn am Internationalen Tag der Freundschaft wird der Kunstautomat exklusiv mit »Tsemed Chemed« bestückt. Kommen Sie vorbei – am besten mit Ihrer besten Freundin oder Ihrem besten Freund.

Lisa Albrecht, Medien

Veröffentlicht unter Im Jüdischen Museum Berlin, Kunst, Kunstautomat
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