Ein Besuch in der Atelierwohnung von Deborah S. Phillips in Berlin-Neukölln. Die Künstlerin trägt heute Blau, nur ihre Schuhe sind Grün. Dass die Künstlerin seit fünf Jahren die Farbe Blau erforscht und sich nun allmählich dem Grün zuwendet, spiegelt sich nicht nur in ihrer Kunst, sondern auch in der Kleidung.
Rot war die Farbe, der sich Deborah Phillips zuerst mit Leidenschaft zuwandte. Der Bibeltext, den sie als Zwölfjährige anlässlich ihrer Bat Mizwa in der Synagoge vorlas, handelte von der Roten Kuh – eine Geschichte, die sie lange nicht losließ. Sie erzählt von einem seltenen Tier, das verbrannt werden muss, um mit seiner Asche die Menschen von ihren Sünden zu reinigen. Erst dann dürfen diese den Tempel in Jerusalem betreten. Sehr viel später mündete Deborah Phillips Nachdenken über die Farbe Rot und deren kulturelle Bedeutungen in eine ihrer zauberhaften Papierarbeiten, »Rotbuch«. Lange Reisen in den Iran, nach Indien und Zentralasien sowie eine Affinität zu den Kulturen des Islam spiegeln sich in dem Band.
Jetzt liegt auch das »Blaubuch« vor. Bei meinem Besuch darf ich in den gerade fertig gestellten Künstlerinnenbüchern blättern, insgesamt sind es sieben Unikate. Sie enthalten Lithographien, Monotypien und Fotocollagen, Bleisatz und Stempeldruck, aber auch kleine Zeichnungen aus Nagellack in allerhand Blautönen.
Deborah Phillips Faszination für die Farbe Blau hat ihren Ursprung ebenfalls in der Bibel: Das vierte Buch Moses enthält die Anweisung, an den vier Ecken des Gebetsmantels Fäden anzubringen, um sich stets an die Gebote Gottes zu erinnern. Einige der Fäden sollten blau, auf Hebräisch »tchelet«, gefärbt sein. Weil sich später nicht mehr ermitteln ließ, welche Farbe gemeint war, hoben die Gelehrten das Gebot auf, und alle Fäden sind seitdem weiß. Die rabbinischen Diskussionen über »tchelet« beschäftigten Deborah Phillips schon in ihrer Jugend. In Israel bezeichnet »tchelet« heute – ganz profan und doch überirdisch – die Farbe des Himmels.
Farben und Klänge, Buchstaben, Gewürze und Gerüche fließen in Deborah Phillips künstlerischer Arbeit zusammen – was daraus wird, bleibt auch für sie selbst immer wieder ein Abenteuer. Während sie am »Blaubuch« arbeitete, entstanden sozusagen als Nebenprodukte die Monotypien, die wir seit April 2015 im Kunstautomaten in der Dauerausstellung des Jüdischen Museums Berlin anbieten. Manche der kleinen Blätter tragen nur einen hebräischen Schriftzug, nämlich »tchelet«, auf andere hat die Künstlerin ein zweites Wort gestempelt, »argaman«. Es bedeutet »purpur«, eine königliche Farbe, in die sich die Priester im antiken Tempel in Jerusalem kleideten.
Neben ihren Papierarbeiten entwickelt Deborah Phillips Filme, Installationen und Performances. Sie arbeitet als Übersetzerin, koordiniert Kulturprojekte und ist eine hervorragende Köchin und »Gewürzberaterin«.
Übrigens: Nicht nur die Farben spielen in Deborah Phillips (Künstlerinnen-) Leben eine überragende Rolle, sondern auch die berüchtigte Neuköllner Hermannstraße. Denn der Mädchenname ihrer Mutter war Herman, und sie selbst lebt schon lange in der Nähe der Hermannstraße und des Hermannplatzes. Ein Projekt mit dem Namen HERMAN(N) ist aus dieser Koinzidenz entstanden.
Die Farben, Gerüche, Stimmen und Geräusche, zart, grell und wild zugleich, begleiten mich auf dem Fußweg von Deborahs Atelierwohnung entlang der Hermannstraße noch bis zum U-Bahnhof.
Maren Krüger traf die Künstlerin Deborah S. Phillips in ihrer Neuköllner Atelierwohnung.
P.S.: Weitere Informationen zu den Kunstwerken sowie den anderen Künstlerinnen und Künstlern des Kunstautomaten finden Sie hier.