In der Reihe »Neue deutsche Geschichten« stellen wir am 19. Oktober 2016 das Buch »Ein Jude in Neukölln. Mein Weg zum Miteinander der Religionen« von Ármin Langer vor. Der Buchautor, der an diesem Abend bei uns zu Gast ist, wird über seinen Alltag als jüdischer Aktivist sprechen sowie über seine Erfahrungen als Koordinator der Berliner Salaam-Schalom Initiative berichten, die ein friedliches Miteinander von Jüd*innen und Muslim*innen vorlebt.
Wir haben Ármin Langer drei Fragen gestellt:
Alina Gromova: Ármin, Du hast Dich im Alter von 21 Jahren dafür entschieden, Rabbiner zu werden, obwohl Du aus einer säkularen Familie stammst. Was hat Dich damals zu dieser Entscheidung bewogen?
Ármin Langer: Ich war schon als Kind offen für Religiosität, allerdings hatte dieses Gefühl bis zu meinem 20. Lebensalter keinen Rahmen. Nachdem ich aus der Kleinstadt, in der ich aufwuchs und in der es keine jüdische Gemeinde gab, nach Budapest umgezogen war, konnte ich zum ersten Mal in meinem Leben an einem jüdischen Gottesdienst teilnehmen. Ich wusste, dass ich am richtigen Ort war.
In Deinem Buch »Ein Jude in Neukölln. Mein Weg zum Miteinander der Religionen« schreibst Du, dass das friedliche Zusammenleben zwischen Juden und Muslimen im Alltag in den meisten Fällen eine Selbstverständlichkeit sei. Warum verfasst man dann ein Buch über etwas, was selbstverständlich funktioniert?
Diese Selbstverständlichkeit wird nur von uns, manchen Juden und Muslimen in Neukölln gesehen – für alle anderen, die keine Begegnungen mit ihren andersgläubigen Nachbarn haben, bleibt dieses Miteinander unsichtbar. Juden aus Charlottenburg oder Biodeutsche aus Marzahn wissen nicht, wie es ist, mit muslimischen Nachbarn umzugehen. Sie können nicht von der Langeweile des friedlichen Zusammenlebens berichten, weil sie in mehr oder weniger homogenen Nachbarschafen ansässig sind. Natürlich sind diese Menschen dann auch offener für Vorurteile. Wenn über Muslime in den Medien berichtet wird, ist es immer im Zusammenhang mit Terroranschlägen – dies bestätigt nur diese Vorurteile. Deswegen habe ich das Buch geschrieben, um zu zeigen, wie das Zusammenleben in Neukölln funktioniert.
Du behauptest, dass jüdisches Leben im gegenwärtigen Deutschland nicht normal sei und Juden hierzulande »wie heilige Kühe behandelt werden«. Was könnte diese Situation Deiner Meinung nach verändern?
Man sollte realisieren, dass Juden weder besser noch schlechter sind als nicht-jüdische Menschen. Wenn in der jüdischen Gemeinde zu Berlin Korruption herrscht und dort Gemeindewahlen manipuliert werden, sollte das von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden, finde ich. Wir Juden haben auch unsere Tebartz-van Elsts. Viele von uns wollen einen kritischen Diskurs über politische und theologische Fragen in unseren Gemeinden. Nur so können wir uns erneuern und unseren Beitrag zum friedlichen Miteinander leisten.
Die Fragen stellte Alina Gromova, Akademieprogramme des Jüdischen Museums Berlin
Weitere Informationen zur Veranstaltung im Veranstaltungskalender auf unserer Website, dort gibt es die Veranstaltung übrigens auch als Audio-Mitschnitt zum Nachhören!