Ein Interview mit Eran Shakine
Heute, am 27. Oktober 2016 um 19 Uhr, eröffnet unsere Ausstellung »A Muslim, a Christian and a Jew« in Anwesenheit von Eran Shakine. Gregor H. Lersch sprach im Vorfeld mit dem israelischen Künstler über Religion, Kunst und seine Inspirationsquellen.
Gregor H. Lersch: Was zeigt »A Muslim, a Christian and a Jew«?
Eran Shakine: »A Muslim, a Christian and a Jew…« klingt wie der Anfang eines Witzes. Aber damit soll nur Aufmerksamkeit erregt werden. Die Ausstellung besteht aus 40 Zeichnungen und Gemälden sowie drei Metallskulpturen. Die drei Personen stellen mit lebendiger und komischer Körpersprache verschiedenste Szenen dar. Es lässt sich nicht sagen, wer welche Religion vertritt. In jeder Zeichnung sind sie Zeugen historischer Ereignisse oder philosophischer Erfahrungen; sie begegnen Personen wie Moses, Buddha und Nelson Mandela. Die drei Helden – gekleidet wie Gentlemen aus dem 19. Jahrhundert – helfen einander, die Liebe Gottes zu finden.
In meiner Arbeit gibt es keine Stereotypen, keiner wird verspottet. Hier sind alle gleich: Wir begegnen drei Menschen, die gemeinsam das Leben erkunden, die Philosophie, Kultur und Natur, aus reiner Neugier, ohne sich etwas beweisen zu müssen.
Gab es einen speziellen Auslöser für diese Arbeit?
Im Nahen Osten zu leben, ist als lebte man im Auge eines Sturms. Als würde man versuchen, auf einem Vulkankrater ein normales Leben zu führen.
Ich habe bereits fünf Kriege erlebt (den ersten mit sechs Jahren) und lange Zeiten der Unsicherheit, in denen ständig Selbstmordattentate drohten. Ich erinnere mich auch, wie ich als Kind mit meiner Familie verreiste, und in Orte kam, in denen Menschen sich freuten, uns zu sehen und uns offen und freundlich begegneten. Heute wäre es gefährlich, diese Orte zu besuchen.
In der Serie »A Muslim, a Christian and a Jew« wollte ich uns alle an Einfachheit und Bescheidenheit erinnern.
Was inspiriert Deine Arbeit?
Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind Jules Vernes »In 80 Tagen um die Welt« las, während ich im Bunker unter unserem Haus lag. Mich faszinierte sein Interesse an der Position des Menschen im Kosmos; es machte ihn zu einem der letzten Universalgelehrten. Das Buch war zerlesen und schlecht übersetzt, aber mir hat es unglaublich gut gefallen.
Ein anderer wichtiger Einfluss sind Hergés »Tim und Struppi«. Sein Zeichenstil hat mich immer begeistert, genauso wie später der japanische Blockdruck und Katsushika Hokusai. Ich interessiere mich sehr für japanische Kalligrafie. Als junger Erwachsener faszinierte mich die Archäologie, ich liebte die antike griechische Vasenmalerei und die griechische Mythologie. In den späten 1980er Jahren lebte ich in New York; die Straßenkultur der Stadt, besonders die Graffiti von Jean-Michel Basquiat und Keith Haring, haute mich um. Ich glaube, in »A Muslim, a Christian and a Jew« findet man all diese Einflüsse.
Warum sehen alle drei Figuren der Serie gleich aus?
Wenn man all das entfernt, was wir nutzen, um uns voneinander abzugrenzen, haben alle das gleiche Grundbedürfnis: glücklich zu sein.
In welcher Beziehung steht Deine Kunst zu klassischer Kunst, z.B. zu Michelangelo, auf den Du Dich in einer Skizze beziehst?
Kunst ist für mich ein Spiegel der Gesellschaft. Bei älterer Kunst können wir nicht mehr wissen, was dieses oder jenes Kunstwerk zu seiner Zeit reflektierte. Also müssen wir überlegen, was es für uns heute bedeutet. Wenn es für uns bedeutungslos ist, ist das Werk nicht mehr relevant. Gute Kunst kann von unterschiedlichen Leuten zu unterschiedlichen Zeiten betrachtet werden und bedeutsam bleiben. Das heißt nicht, dass das Werk die ursprüngliche Intention des Künstlers wiedergeben muss. Im Gegenteil: meistens tut es das nicht.
Ist die Serie für Deine Arbeit charakteristisch?
Das Erscheinungsbild meiner Kunst ändert sich, aber sie hat stets das gleiche Thema: Kunst als Spiegel von Kultur und Gesellschaft. Meine letzte Ausstellung hieß: »Looking at You / Talking to Myself«. Es ging darin um den Platz in der Gesellschaft, an dem man sich selbst versucht zu positionieren. Wir wissen, dass heutzutage viele Selbstdarstellungen – vielleicht ein Foto, das sofort »geteilt« wird – gekünstelt sind. Sie zeigen eher ein idealisiertes Bild als die echte Person.
Was für ein Verhältnis hast Du zu Religion?
Ich bin kein religiöser Mensch.
Darf man über Religion lachen?
Ich lache nicht über Religion. Ich lache über das menschliche Verhalten.
Kann Kunst die Welt verbessern?
Menschen können die Welt verbessen. Kunst nicht. Kunst kann eine andere Art aufzeigen, Dinge zu betrachten, und vielleicht das Unmögliche erreichen: einen anderen Weg zu zeigen. In den letzten Jahren wurden wir auch an die Macht von Kunst im negativen Sinne erinnert: Karikaturist*innen wurden angegriffen und ermordet, Kulturschätze wurden zerstört und sind auf ewig verloren. Künstler*innen und Kunst können sowohl manipulieren als auch manipuliert werden. Kunst ist ein Auslöser. Man kann nur hoffen, dass keiner verletzt wird.
Das Interview führte Gregor H. Lersch, Wechselausstellungen
Eran Shakine wurde 1962 als Sohn eines französischen Vaters und einer ungarischen Mutter in Israel geboren. Seine Eltern waren Holocaust-Überlebende und sind erst nach dem Krieg nach Israel gekommen. Nach einigen Jahren in Paris und New York lebt er heute in Tel Aviv. Seine Werke wurden in Einzelausstellungen in New York sowie in Paris, London, Brüssel, Toronto und Tel Aviv gezeigt. Seine Arbeiten finden sich in den Sammlungen des British Museums, im Aachener Suermondt-Ludwig-Museum, im Tel Aviv Museum of Art, im Israel Museum sowie in zahlreichen Privatsammlungen.
»A Muslim, a Christian and a Jew« in der Eric F. Ross Galerie ist Shakines erste Ausstellung in Deutschland. Mehr Informationen zur Ausstellung auf unserer Website.
glücklich sein … ist ein Geisteszustand.
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