Veröffentlicht von am 31. März 2017 0 Kommentare

Die Macht des Haars

Von persischen Märchen und weiblicher Selbstbestimmung

Frau steht neben einer Virtrine, in der sich eine Skulptur aus Haaren befindet

Die Künsterlin Mandana Moghaddam neben ihrer Skulptur Chelgis I in der Ausstellung Cherchez la femme. Perücke, Burka, Ordenstracht; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yves Sucksdorff

Anlässlich unserer neuen Ausstellung Cherchez la femme – über die Traditionen der Verhüllung von Frauen in den drei großen monotheistischen Religionen – sprachen wir mit der iranischen Künstlerin Mandana Moghaddam. Ihr Werk Chelgis ist ein besonders eindrucksvoller Beitrag zum Ausstellungsthema und regt dazu an, sich noch auf ganz persönliche Weise weiter mit den Fragen, die Cherchez la femme aufwirft, zu beschäftigen.

Liebe Frau Moghaddam, würden Sie uns ein wenig über Ihre künstlerische Arbeit und über die Geschichte hinter Chelgis erzählen?

Ich begann diese Arbeit, indem ich über heutige Frauenthemen nachdachte und über verschiedene Sichtweisen auf diese Themen. Als ich die erste Skizze zeichnete, hatte ich die Geschichte von Chelgis – das bedeutet »40 Zöpfe« –  vor Augen. Es ist ein altes Märchen, das Teil der mündlichen Überlieferung in persischsprachigen Ländern wie Iran oder Afghanistan ist. Chelgis ist ein Mädchen, das einen wunderschönen Garten betritt. Doch dann stellt sie fest, dass die Tore verschlossen sind und sie nicht mehr aus dem Garten hinaus kann. Dämonische Wächter halten sie dort gefangen. Unterdessen leiden die Menschen in der Umgebung, denn das Wasser aus dem Garten hat aufgehört, in ihre Dörfer zu fließen. Verzweifelt suchen sie nach einer Lösung, doch niemand ist imstande, die Dämonen zu töten. Der einzige Ausweg aus dem Elend wäre, die Flasche des Lebens zu finden, die in dem Garten verborgen liegt, und sie aufzubrechen. Da Chelgis die einzige Person in dem Garten ist, hängt alles von ihr ab.
Und so spiegelt die Geschichte jene Frauenthemen wider, die ich in meiner Arbeit ausdrücken möchte: Den Druck von außen, dem Frauen unterliegen, die Last, die sie oft zu tragen haben, und natürlich ihre Kraft, mit alldem fertig zu werden.

In der arabischen Kultur gilt langes dunkles Haar als Schönheitsideal. Trifft das auch auf die persische Kultur zu?

Ja. Und bis vor gar nicht allzu langer Zeit galt dieses Schönheitsideal weltweit, sei es mit schwarzem, blondem oder rotem Haar. Mit der Modernisierung der Gesellschaften haben die Frauen mehr Freiheit gewonnen, auch im Iran, sodass sie nun selbst entscheiden können, ob sie ihr Haar schneiden oder nicht. Vor allem in den großen Städten tragen heute immer mehr Frauen ihre Haare kurz. Ich glaube, in den Dörfern dürfen Frauen ihr Haar immer noch nicht schneiden, solange sie unverheiratet sind, aber in den Städten mittlerweile schon.

Würden Sie sagen, die Dinge ändern sich für die Frauen im Iran, und sei es ganz allmählich?

Die Gesetze sind das eine, die Menschen das andere. Die Regierung eines Landes zu kennen, heißt nicht, seine Bewohner zu kennen. Da kann es große Unterschiede geben. Vor der Revolution konnten Frauen im Iran bereits hinausgehen und sich so kleiden, wie sie wollten. Heute schreibt das Gesetz vor, dass eine Frau sich nicht unverhüllt draußen zeigen darf. Auf die weniger gebildeten Menschen mag das einen großen Einfluss haben. Aber wissen Sie was? 60 Prozent der Studierenden an den iranischen Universitäten sind heute Frauen.

Das klingt in der Tat nach einer »starken Kraft«, auf die Sie sich freuen können.

Stark, ja. In meiner Hoffnungslosigkeit gibt es Hoffnung. (lacht)

 

Die Ausstellung Cherchez la femme wird vom 31. März bis 2. Juli 2017 gezeigt. Weitere Informationen unter https://www.jmberlin.de/cherchez-la-femme

Das Gespräch führten die Kuratorinnen der Ausstellung, Miriam Goldmann und Katharina Erbe.

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