Normalerweise ist ein Museum ein Ort, an dem man Kunst aus einem gesicherten Abstand betrachtet. Das wird mit dem »Kunstautomaten«, den wir heute in unserer Dauerausstellung aufstellen, anders: Durch den Einwurf von 4 Euro können Sie nun Kunst aus dem Museum mit nach Hause nehmen!
Wenn Sie sich unter einem »Kunstautomaten« ein High-Tech-Gerät vorstellen, das Kunst produziert, die man sich wie bei einem Getränkeautomaten aus einem Sortiment ziehen kann, liegen Sie allerdings falsch. Unser Kunstautomat beherbergt viele kleine Kunstwerke, die von Künstlern extra dafür hergestellt wurden.
Weil so ein Apparat nicht handelsüblich ist, ersteigerte ich im Internet einen alten Warenautomaten aus den 1970er Jahren. Er befand sich in einem Sportcenter in Rheinland-Pfalz und musste von dort antransportiert werden.
Im Anschluss erarbeitete der Graphiker Hanno Dannenfeldt ein Gestaltungskonzept, denn der Automat sollte nicht nur ›Hülle‹ für die Kunstwerke in den kleinen Fächern sein, sondern zugleich selbst ein Ausstellungsobjekt. Der Entwurf »Hanging« kleidete den Automaten in schlichtes, deckendes Weiß mit prägnanter schwarzer Aufschrift. Mit pinken Slacklines wird er an die Wand geschnürt.
Die nächsten Arbeitsschritte stellten mich als Museumsmitarbeiterin vor ungewöhnliche Fragen:
Kann man Slacklines, die man normalerweise zum Balancieren zwischen zwei Bäumen benutzt, überhaupt für solche Zwecke verwenden?
Wird der Automat beim An-die-Wand-Schnüren durch die auftretenden Kräfte zerquetscht?
Wer lackiert so ein ungewöhnliches Objekt?
Wer kann den alten Automaten von DM auf Euro umrüsten und auf seine Funktionen testen?
Zum Glück fand ich für alle Fragen Spezialisten, die mir bei meinen Anliegen weiterhelfen konnten: Eine junge, dynamische Slackline-Firma beriet uns bei unseren Fragen zur Montage, eine Lackiererei, zufälligerweise aus der Nachbarschaft des Museums, verpasste dem Automaten ein neues Kleid und ein erfindungsreicher Automatenbauer stellte die Mechanik richtig ein, baute den Automaten mehrmals auseinander und wieder zusammen, schweißte eine Leuchtbox an und münzte den Automaten auf Euro.
Die wichtigste aller Fragen bei den Vorbereitungen zum Kunstautomaten war jedoch: Wo finde ich Künstler, die beim Projekt mitmachen wollen?
In Berlin gibt es bekanntlich viele aufstrebende Künstler mit frischen Ideen. Doch diese sind nicht unbedingt online über eine Stichwortsuche zu »jüdischen Künstler in Berlin« zu finden. Der Schlüssel zu ihnen sind persönliche Kontakte und dabei konnten mir vor allem Museumskollegen weiterhelfen. Durch deren Vermittlung stieß ich auf die ersten zwei Künstlerinnen, die weitere Künstler an Bord holten. ›Mundpropaganda‹ heißt somit das Konzept, das dem Kunstautomaten zugrunde liegt.
Die sieben Künstler, die nun eine Arbeit für den Kunstautomaten entwickelt haben, waren in ihrer Materialwahl und Formensprache absolut frei. Es gab nur eine Bedingung: Die Arbeiten mussten in die Fächer des Automaten passen. Trotz dieser Beschränkung entstanden Werke, die in Form, Farbe und Material sehr verschieden sind, wie Sie auf unserer Website sehen können. Die Arbeiten wurden in einer limitierten Auflage von 50 Stück erstellt und von den Künstlern handsigniert. In ›Überraschungstüten‹ mit zusätzlichen Informationen verpackt, sind sie nun im Kunstautomaten zu finden. Die vier Euro, zu denen Sie die Arbeiten hier erwerben können, gehen an die Künstler.
Wenn Sie mehr über die Kunstwerke und die Künstler erfahren wollen, sollten Sie in den kommenden Wochen diesen Blog lesen. Falls Ihnen das zu lange dauert, ist wohl die beste Idee, ins Museum zu kommen und sich selbst am Kunstautomaten ein Kunstwerk zu ziehen. Sie finden ihn im Treppenhaus des 1. OG in der Dauerausstellung.
Christiane Bauer, Ausstellungen
PS: Weitere Fotos von der Installation des Kunstautomaten finden Sie auf unserer Facebook-Seite.
Ein sehr interessantes Projekt! Kann mir wirklich vorstellen, das das viele Kunden finden wird. Eine tolle Idee und eine tolle Erinnerung an den Besuch