Am 19. Oktober kurz nach 20 Uhr erhielt ich plötzlich die Nachricht: »David unterbricht seine Aufbauarbeiten in Köln und kommt am Sonntag zwischen 11 und 11.30 Uhr ins Jüdische Museum Berlin«.
Ich hatte schon vor einiger Zeit Kontakt zu dem Galeristen Peter Goulds aufgenommen, um herauszufinden, ob David Hockney wohl daran interessiert sein könnte, während der Vorbereitungen seiner Ausstellung »A Bigger Picture« im Museum Ludwig nach Berlin zu kommen, um die R.B. Kitaj-Ausstellung zu sehen. Obwohl dies zunächst unwahrscheinlich erschien, kam Hockney dennoch am 21. Oktober, begleitet von seinem Partner, dem Studiomanager und einem Fahrer, im eleganten grauen Zweireiher, schwarzem Hawaii-Hemd mit phantastischem Pflanzendekor und einer karierter Schirmmütze.
David Hockney ist der älteste Malerfreund von Kitaj. Sie trafen sich 1959 am ersten Tag ihres Studiums am Londoner Royal College of Art. Hockney schilderte mir seine Eindrücke von Kitaj mit den Worten: »Ich war 22 und er 27. Ich war ein Landei aus Bradford, nie außer Landes gewesen, während er bereits die sieben Meeren befahren hatte, aus New York kam und die Welt kannte, ich hingegen nicht. Er war viel weltgewandter als ich, und ich sah, daß er gut zeichnen konnte. Wir hatten zweierlei gemeinsam: wir mochten zeichnen und lesen.«
Immer wieder kreuzten sich die Wege der beiden in Paris, London oder Los Angeles. Hockney stellte Kitaj seine zweite Frau, die US-amerikanische Malerin Sandra Fisher, vor. Gemeinsam sind sie nach Warschau und Krakau gereist. Kitaj ist der einzige Künstler, dem Hockney nackt – bis auf zwei verschiedenfarbige Socken – vor einer weißen Leinwand Modell stand. Das Ergebnis hängt in der Ausstellung mit dem Titel »The Neo Cubist«. Es war eine besondere Freude für Hockney, das Bild nun wieder zu sehen.
Auf dem Gemälde »England Bathers« von 1982 entdeckte sich Hockney mit der typischen übergroßen runden Brille und erstauntem Kindergesicht auf einer Toilette sitzend, und lachte. Kitaj beschreibt diese Szene in seinen Erinnerungen: »Hockney hatte gerade sein Coming Out, und ich sagte ihm, male das. Er tat dies und der Rest ist Kunstgeschichte, schwule Kunstgeschichte. Er wechselte zum gleichen Zeitpunkt in die schwule Kultur als ich mich mit meiner jüdischen Kultur auseinanderzusetzen begann.«
Nach dem Besuch bedankte sich Hockney für den Rundgang durch die Ausstellung und schrieb: »John, JP und ich waren sehr bewegt, aber wir kannten ihn [Kitaj] auch. Dominic (der jünger ist) tat sich schwerer mit seinen Bildern. Er fand, es sei zu viel Wissen vorausgesetzt und verspürte eine Barriere zwischen sich und den Bildern. Wir sehen alle unterschiedlich, auch auf ebenen Flächen.«
Ein wunderbar demokratisches Statement über das Betrachten von Bildern.
Eckhart J. Gillen, Kurator der Ausstellung R.B. Kitaj – Obsessionen
(Die Zitate im Original finden Sie auf unserem englisch-sprachingen Blog)