Im Sommer 2012 protestierte der koreanische Musiker PSY mit seiner Musik gegen das Konsumverhalten in Gangnam, einem wohlhabenden Stadtteil Seouls. Sein Musikvideo zeigt, wie er in Gegenwart betucht aussehender Männer und leicht bekleideter Frauen eine Art Reitertanz vollführt, hopsend und Zügel schwingend. Aus Gründen, die uns die Nachwelt nennen mag, entwickelte sich Gangnam Style zum meist gesehenen Clip bei YouTube.
Organisationen wie Greenpeace und NASA, die von Gangnam (geographisch wie ideologisch) entfernter nicht hätten sein können, entwickelten eine Reihe von Parodien.
Der Protest im Gangnam-Stil wurde auch in der Kunstszene begeistert aufgenommen. Der chinesische Aktivist Ai Weiwei veröffentlichte ein Video im Gangnam-Stil, um gegen die Zensur in seinem Land zu protestieren.
Als Reaktion auf dieses Video regte der jüdisch-indische Künstler Anish Kapoor – dessen Werke eine Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau ab dem 18. Mai 2013 würdigt – Kunstmuseen in England und den USA an, ein Video zur Unterstützung von Ai Weiwei zu drehen.
Kurz darauf stellte das Philadelphia Museum of Art ein Video ins Netz, das seine Belegschaft beim Gangnam-Tanz zeigt, wobei nicht ganz ersichtlich ist, worauf ihr Protest abzielt: → weiterlesen
Bisher haben literarische Texte über jüdische Themen auf unterschiedliche Weise zur Entwicklung der jüdischen Kultur beigetragen. Einige Texte bezweckten die Dokumentation und Wiederbelebung der mündlichen Überlieferung und des Volksmärchens, um sie vor dem Vergessen zu bewahren (z.B. Martin Bubers Die Erzählungen der Chassidim). Mit anderen wurden jüdische Themen der Mehrheitsbevölkerung zugänglich gemacht (wie Sidney Taylors All-of-a-Kind Family), während wieder andere dem Wiederaufbau einer jüdischen Gemeinschaft vor dem Hintergrund gemeinsamer Erfahrungen von Ritual, Emigration und Verfolgung dienten (so Friedrich Torbergs Die Tante Jolesch: oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten).
Nathan Englander, einer der anspruchsvollsten und provokantesten Autoren der Gegenwart, teilt keine dieser Absichten. Sein neustes Buch, Worüber wir reden, wenn wir über Anne Frank reden, ist eine Sammlung von acht Kurzgeschichten. Lose zusammengehalten werden sie durch den Titel der ersten Geschichte (der zugleich ein Zitat aus dieser ist), in der es um eine hitzige Debatte über den Genozid geht; der Titel bezieht sich auf Anne Frank nicht als historische Figur, sondern als Metonymie des Opfers. In den Geschichten wird über die Auswirkung jüdischer Themen wie Religion, Holocaust und Israel sowie die moderne jüdische Identität reflektiert. Dabei ist der Blick des Autors der eines Insiders – er wurde 1970 als Sohn jüdisch-orthodoxer Eltern in New York geboren – und zudem kritisch. Mit seinen fesselnden, sehr persönlichen und nahegehenden Geschichten, die an Theaterszenen erinnern und von intensiven Dialogen durchdrungen sind, hinterfragt er die Gültigkeit jüdischer kultureller Praxis: → weiterlesen
Eric Silvermans lang angekündigtes Buch, A Cultural History of Jewish Dress, ist vor wenigen Wochen in Bloomsburys angesehener kulturhistorischen Reihe erschienen. Es behandelt ein Thema, das der Überarbeitung bedurfte: Jüdische Kleidung war zuletzt 1967 – vor fast fünfzig Jahren – in Alfred Rubens’ A History of Jewish Costume untersucht worden.
Der Rahmen des Buchs ist sehr breit angelegt: Silverman stellt Betrachtungen an über dreitausend Jahre und die verschiedensten Regionen und Kulturen, vom Mittleren Osten, über Russland, Nordafrika und Europa bis hin zu den USA.
Mit Hilfe der Tora, der Mischna und des Talmuds sowie einer Auswahl englischsprachiger Sekundärliteratur und Zeitungsartikel als Quellenmaterial gliedert der Anthropologe aus den USA sein Buch analytisch statt empirisch. Anstatt Kleidungsstücke zu kategorisieren, analysiert er die Debatten, die seit Jahrtausenden über die Frage geführt werden, was Juden tragen oder nicht tragen sollen. → weiterlesen