Veröffentlicht von am 7. März 2016 0 Kommentare

Das Vermächtnis einer langen Karriere gegen alle Widerstände

Die Filmhistorikerin Claudia Dillmann über die Artur-Brauner-Filmsammlung in unserer Bibliothek

Der Filmproduzent und Schoaüberlebende Artur Brauner hat unserem Museum 21 Filme zu den Themen Schoa und Nationalsozialismus gestiftet (Sie finden die Filmliste auf unserer Website). Heute würdigt unser Haus die Schenkung mit einem Thementag im Beisein Artur Brauners und seiner Familie.

Porträtfoto von Claudia Dillmann

Claudia Dillmann; Foto: Deutsches Filminstitut/Uwe Dettmar

Vorab befragten wir Claudia Dillmann zu Artur Brauner und dem Reiz seiner Filmproduktionen insbesondere für ein jüdisches Museum. Die Filmhistorikerin leitet das Deutsche Filminstitut in Frankfurt am Main, initiierte das Internetportal www.filmportal.de und ist ausgewiesene Artur-Brauner-Expertin. Uns erzählte sie von Brauners Interesse für die Opfer der NS-Verbrechen, seiner Verehrung für Romy Schneider, professioneller Mischkalkulation und vom deutschen Publikumsgeschmack.

Mirjam Bitter, Blogredaktion: Liebe Frau Dillmann, wie repräsentativ ist unsere Artur-Brauner-Filmsammlung für das gesamte Filmschaffen von Brauner?

Claudia Dillmann: Die Filme, die Artur Brauner dem Jüdischen Museum Berlin überlassen hat, sind insofern repräsentativ, als sie den einen – ihm besonders am Herzen liegenden – Pol seines Schaffens darstellen: die Auseinandersetzung mit dem Holocaust, dem 49 seiner Familienmitglieder zum Opfer gefallen sind. Diese Filme sieht er als sein »Vermächtnis«, an dem er seit Beginn seiner Karriere arbeitet. Sie sind den Opfern des NS-Regimes gewidmet und bilden einen Zyklus, der für ihn bis heute noch nicht abgeschlossen ist. In ihnen stellte er die Verfolgten des NS-Terrors und die Traumata seiner eigenen Vergangenheit in immer neuen Facetten dar.  weiterlesen


Ein Hammerschlag vor 75 Jahren

Die Anzeige eines Auktionshauses als letztes Lebenszeichen aus Deutschland

Geöffneter Koffer, in dem verschiedene Dokumente und Fotografien liegen

Franziska Bogdanov beim Auspacken des Koffers von Arno Rosenfeld
Jüdisches Museum Berlin CC-BY Katharina Erbe

In unserem Archiv haben wir Bestände mit ganz unterschiedlichen Überlieferungsgeschichten: Wir erhalten Vorlässe von deutsch-jüdischen Emigranten aus der ganzen Welt, oder deren Kinder wenden sich an uns und übergeben die Nachlässe ihrer Eltern. Einige Stiftungen bekommen wir auch aus Deutschland, oft von Menschen, die selbst nicht jüdisch sind, aber in deren Familien Erinnerungsstücke an jüdische Freunde oder Bekannte überliefert sind.

Ende des vergangenen Jahres erhielten wir eine Schenkung aus dem Nachlass eines ehemaligen Berliners, der kurz zuvor in New Jersey, USA verstorben war. Es handelte sich um einen großen Koffer, der mit Dokumenten, Briefen, Fotografien und auch Objekten bis oben hin gefüllt war.  weiterlesen


Faszination Familiengeschichte

Ein Blick in die Fotosammlung der Familie Radzewski

Wir alle haben eine Familie – ob Vater, Mutter, Kinder, Enkel, Großeltern, Tanten und Onkel oder auch nur Verwandte, die man flüchtig von Familienfeiern oder Fotos kennt. »Der Onkel, der im Ausland lebte, der mit der Tochter und den Enkeln – erinnerst du dich denn nicht mehr?« Das haben wir alle wohl schon mal gehört.

Schwarz-weiß Fotografie: Eine Frau im Kleid und ein siebenjähriges Mädchen stehen an einem Gittertor

Die Stifterin Vera de Jong mit ihrer Mutter Meta Krotoschiner vor dem Eingang ihres Hauses in Chile nach der Emigration, Santiago de Chile, 1952
© Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Vera de Jong, geb. Krotoschiner-Radzewski

Doch was passiert, wenn niemand da ist, der einem alle diese Geschichten immer wieder erzählt? Da bleibt nur ein Foto dieser Menschen – falls man Glück hat –, manchmal eine Postkarte, die jedoch schweigt. So geht es Menschen nicht nur im privaten Rahmen. Auch als Museumsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen wir Tag für Tag vor der neuen Herausforderung, insbesondere wenn wir von Stiftern eine Sammlung mit ihren Familienfotografien erhalten haben, die wir inventarisieren. Bei jedem Bild fragen wir uns: Wo war das, wer sind diese Menschen, sind sie nur Freunde oder nahe Verwandte? Was für eine Geschichte steckt hinter diesem Bild?

Zum Glück sind wir nicht alleine – denn die Stifterinnen und Stifter schenken uns meist nicht nur ihre Sammlung, sie erzählen und vertrauen uns ebenfalls ihre Erinnerungen an. So war es auch bei der Familiensammlung von Vera de Jong, geb. Krotoschiner-Radzewski. Vor einem Jahr übergab sie etwa 200 Fotografien den Mitarbeiterinnen der Fotografischen Sammlung unseres Museums (mehr Informationen zur Fotografischen Sammlung auf unserer Website). Meine Aufgabe als wissenschaftliche Volontärin war es nun, diese Bilder zu inventarisieren und ihre Geschichte zu recherchieren. Ich war sofort vom Charme der Bilder bezaubert  weiterlesen