Veröffentlicht von am 25. März 2014 0 Kommentare

Schränke voller Fotos, Kontaktbögen und Briefe

Meine Woche intensiver Recherchen im Nachlass von Fred Stein

Mit »Brooklyn Bridge« überschriebenes Papier auf dem drei Kontaktabzügen einer New Yorker Stadtansicht

Kontaktbogen Brooklyn Bridge
© Estate of Fred Stein, Foto: Theresia Ziehe

Im Juni 2012 hatte ich die Möglichkeit, mich in den Nachlass von Fred Stein zu vertiefen. In Vorbereitung auf unsere derzeitige Ausstellung »Im Augenblick« reiste ich in den kleinen Ort Stanfordville im State New York und besuchte dort Peter Stein, Sohn des Fotografen und Nachlassverwalter. Eine Woche lang untersuchte ich das umfangreiche und vielschichtige Material, das dort in verschiedenen Räumen des Privathauses lagert. Es war ein unvergessliches Eintauchen in das Werk und Leben Fred Steins.

Hunderte Negative, untergebracht in feuerfesten Schränken, bilden das Herzstück der Sammlung. Ihre unterschiedlichen Formate verweisen auf zwei Kameras, mit denen Stein fotografierte: aufgerollte 35-mm-Negativstreifen der Leica und einzeln in Pergaminhüllen verpackte Negative im Format 6 x 6 cm der Rolleiflex. Die Kameras selbst sind leider nicht erhalten geblieben. Unter den Negativen befinden sich auch Steins allererste Aufnahmen aus Dresden kurz vor seiner Emigration 1933 nach Paris.  weiterlesen


Veröffentlicht von am 22. Februar 2014 0 Kommentare

Die Psychologie des Porträts

»Guten Tag, ich bin Fred Stein, Fotograf, links und ich würde gerne ein Bild von Ihnen machen.«

– Mit diesen Worten eröffnete Fred Stein das Gespräch mit den Menschen, die er gerne porträtieren wollte. Zwischen 1933 und 1967 gelang es ihm auf diese Art und Weise, über 1200 Porträts anzufertigen. Die Worte verdeutlichen nicht nur seinen Mut, auf Menschen zuzugehen. Sie zeigen auch, dass er es verstand, eine Beziehung zu den Personen aufzubauen, die er fotografierte.

Schwarz-Weiß-Foto von Willy Brandt

Willy Brandt, New York 1957
© Estate of Fred Stein

Fred Stein setzte sich mit seinen Porträtierten und ihren Werken intensiv auseinander. Mit André Malraux, Arthur Koestler und Egon Erwin Kisch und vielen anderen diskutierte er das politische Geschehen in Europa der 1930er und 1940er Jahre. Zu Willy Brandt und einigen anderen Porträtierten entwickelte er eine enge Freundschaft, die bis ans Lebensende halten sollte. Brandt erinnert sich in einem Brief vom 10. Mai 1983:

»Ich begegnete Fred Stein, als wir beide Flüchtlinge waren und das totalitäre Naziregime mit den ziemlich bescheidenen Mitteln bekämpften, die uns zur Verfügung standen. Für seine Zeit war er sehr avantgardistisch, ein brillanter Fotograf, inspiriert von seinem Streben nach Gerechtigkeit und seiner Sorge um die Wahrheit, die sich in seinen Fotografien so deutlich widerspiegeln.  weiterlesen


Veröffentlicht von am 3. Februar 2014 0 Kommentare

»Das war nicht unser Deutschland«

Als Fred Stein 1933 Deutschland verlassen musste, war er gerade mal 24 Jahre alt. Der Sohn eines Rabbiners und Mitglied der sozialistischen Arbeiterpartei, hatte Jura studiert und wollte sich als Anwalt für die Rechte anderer Menschen einsetzen. Als er  durch Zufall erfuhr, dass die Gestapo ihn verhaften wollte, floh er unter Vortäuschung einer Hochzeitsreise mit seiner Ehefrau Lilo nach Paris. Im Exil war das junge Ehepaar gezwungen, sich beruflich neu zu orientieren.

Fred Stein, hinter ihm Schilder mit der Aufschrift »Willkommen in Berlin«

Fred Stein, Berlin 1958
© Estate of Fred Stein

Das gemeinsame Hochzeitsgeschenk, die Leica, erwies sich dabei als das richtige Werkzeug: Fred Stein begann zu fotografieren und fertigte Straßenbilder der Stadt Paris und  Porträtaufnahmen von bekannten Persönlichkeiten an, viele davon Emigranten aus Deutschland. 1941 gelang Fred und Lilo Stein, nun mit gemeinsamer Tochter, die Flucht ein zweites Mal. Mit einem der letzten Schiffe erreichten sie New York. Dort nahm Fred Stein die Porträt- und Straßenfotografie wieder auf.

1958 kehrte Fred Stein das erste Mal nach 25 Jahren nach Deutschland zurück. Anlass der Reise  war das geplante Buch Deutsche Portraits, das Will Grohmann herausgeben wollte. Fred Stein erhielt den Auftrag, Politiker wie Konrad Adenauer, Heinrich Lübke und Ludwig Erhard sowie Künstler, Schriftsteller und Verleger wie etwa den jungen Axel Springer oder Rudolf Augstein zu fotografieren. Es scheint ihm schwer gefallen zu sein, so manchen deutschen Kopf für die Publikation abzulichten.  weiterlesen