Veröffentlicht von am 3. Mai 2014 0 Kommentare

Von liebenswerten Kauzen und Liebe als einer Art Entzündung

Zum Geburtstag eines eindringlichen Erzählers

Buchcover mit Abbildung von zwei Ledersesseln

Buchcover »Juden und Worte«
© Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag

Am 4. Mai können wir dieses Jahr einem großen Schriftsteller zum 75. Geburtstag gratulieren, der im letzten Jahr gleich zweimal im Jüdischen Museum Berlin zu Besuch war: Amos Oz. Der preisgekrönte israelische Autor – er erhielt u. a. den Friedenspreis des deutschen Buchhandels (1992) und zuletzt den Franz-Kafka-Literaturpreis (2013) – stellte im vergangenen Oktober mit seiner Tochter, der Historikerin Fania Oz-Salzberger, das gemeinsame Buch Juden und Worte (dt. 2013) vor. In vier Kapiteln beschreiben die »beiden nicht-religiösen israelischen Juden« (S. 15) auf unterhaltsame Weise die historische Kontinuität der jüdischen Tradition anhand einer »Genealogie von Lesen und Schreiben« (S. 29). Sie sinnieren dabei über die mögliche Dichterin des Hoheliedes und andere »Frauen mit Stimme« (S. 77) und denken über die Bedeutung von Zeit und das Verhältnis von »Kollektivität und Individualität« (S. 179) nach.

Zweistöckiger Bungalow mit Außentreppe, dahinter Bäume

Wohnhaus in einem realen Kibbuz, Foto: Mirjam Bitter
Creative Commons Lizenzvertrag

Als literarischer Autor war Amos Oz im März 2013 mit seinem jüngsten Erzählband Unter Freunden (2103, hebr. Original Bejn chaverim 2012) bei uns im Museum zu Gast. Die acht Erzählungen darin spielen im fiktiven Kibbuz Jikhat. Dass der Autor das Kibbuzleben kennt, merkt man seinen Geschichten gleich an – er verließ als knapp 15-Jähriger das Haus seines intellektuellen Vaters, um für viele Jahre im Kibbuz zu leben und zu arbeiten. Durch typische Orte wie die Kibbuzwäscherei, Kibbuzküche, Speisesaal, Kuh- und Hühnerstall, Obstplantagen und das Schwimmbad war auch mir, die ich Ende der 1990er Jahre vorübergehend in einem Kibbuz gelebt habe, der Schauplatz sofort vertraut. Die Diskussionen um das Kinderhaus verweisen hingegen auf einen konkreten Zeitraum: die goldenen 1950er Jahre der Kibbuzim.

Die Geschichten beschäftigen sich mit menschlichen Grundkonstanten wie Liebe, Einsamkeit oder dem Hadern mit anstehenden Lebensentscheidungen.  weiterlesen

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Veröffentlicht von am 15. April 2014 0 Kommentare

Im Ersten Weltkrieg

Das Fest der Befreiung an der Front

Am gestrigen Montagabend, 14. April 2014, hat das achttägige Pessach-Fest begonnen. Den Auftakt bildet jedes Jahr der Seder-Abend, dessen Name sich vom hebräischen Wort seder = Ordnung ableitet, weil dieser Abend in einer besonderen rituellen Abfolge begangen wird.

Das rituelle Programm des Seder-Abends ist in einem oft hübsch illustrierten Buch beschrieben, der Haggada. (Ganz besonders kostbare Haggadot zeigen wir übrigens in unserer aktuellen Sonderausstellung »Die Erschaffung der Welt«, und warum auch eine eher unscheinbare Haggada für ein Museum von großem Wert sein kann, hat unser Archivleiter kürzlich in seinem Blogbeitrag beschrieben). Aus der Haggada werden die traditionellen Texte und Lieder rezitiert. Auf den Tisch kommen symbolische Speisen und Getränke, die an bestimmten Zeitpunkten des Abends eingenommen werden.

Zuschauerreihen eines Theatersaals besetzt mit Männern in Uniform

Deutsche Soldaten feiern Pessach im besetzten Jelgava (bei Riga).
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: unbekannt, Schenkung von Lore Emanuel

Was aber unterscheidet diese Nacht von all den anderen Nächten? Diese Frage stellen sich Juden rund um den Globus und Jahr für Jahr beim Seder-Mahl. Die Antwort lautet: Es ist das Fest der Befreiung, erinnert es doch an den Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Jeder soll sich so fühlen, als ob er selbst und noch einmal aus Ägypten ausziehen würde. Um die gewonnene Freiheit symbolisch zu würdigen, lehnt man sich beim Essen und Trinken zum Beispiel gemütlich zurück. Eine Haltung, die in der antiken Welt nur den Freien, nicht aber den Sklaven vorbehalten war.  weiterlesen


Ein kleines Fenster zur Geschichte

Eine neuerworbene Pessach-Haggada und ihre früheren Kreuzberger Besitzer

In der kommenden Woche, am Abend des 14. April, findet der erste Seder des Pessachfests statt. Juden in der ganzen Welt werden sich mit ihren Familien und Freunden an festlich gedeckten Tischen zusammenfinden und die jahrhundertalte Tradition des Lesens der Haggada aufleben lassen. Darin wird die Geschichte von der Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft nacherzählt und die festgelegte Ordnung des Abends vorgegeben.

Titelblatt der Haggada in Hebräisch und Deutsch sowie handschriftliche Eintragungen auf der Klappe

»Erzählung von dem Auszuge Israels aus Egypten an den beiden ersten Pesach-Abenden«, Rödelheim bei Frankfurt am Main 1848
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Aubrey Pomerance

Vor kurzem fiel mir in einer Online-Auktion eine Haggada auf, die ich für einen kaum nennenswerten Betrag für die Sammlung des Jüdischen Museums erwerben konnte. Das 1848 in Rödelheim bei Frankfurt am Main gedruckte und unter dem Titel Erzählung von dem Auszuge Israels aus Egypten an den beiden ersten Pesach-Abenden veröffentlichte Buch beinhaltet den hebräischen Text der Haggada zusammen mit einer von Wolf Heidenheim angefertigten deutschen Übersetzung. Es ist die ca. zwanzigste Ausgabe seiner 1822/23 erstmals herausgebrachten Haggada, welche die deutsche Übersetzung in hebräischen Lettern wiedergab. In diesem Fall aber verwendet er, wie erstmals 1839, lateinische Buchstaben.

Am Druck unserer Ausgabe der Haggada ist nichts Bemerkenswertes.  weiterlesen