Die konservatorische Arbeit an der Boris Lurie Ausstellung
Restauratorin Alicija Steczek begutachtet mit einer Stirnlupe ein Werk von Boris Lurie; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Stephan Lohrengel
Wer als Besucherin oder Besucher in unsere Ausstellung »Keine Kompromisse! Die Kunst des Boris Lurie« (mehr Informationen auf unserer Website) kommt, sieht in der Regel gar nicht, dass sie das Ergebnis einer langen Vor- und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bereichen unseres Museums ist. Beteiligt sind unter anderem die Kolleginnen und Kollegen aus der Wechselausstellungsabteilung sowie unsere Registrars, die sich zum Beispiel um den ganzen Leihverkehr und die Organisation der Transporte kümmern, und wir Restauratoren. Unser Einsatz begann bereits anderthalb Jahre vor dem Aufbau der Ausstellung, setzt sich nun während der Laufzeit weiter fort und findet erst beim Abbau Anfang August seinen Abschluss.
So spannend und materialvielfältig die Arbeiten von Boris Lurie sind, so aufwendig ist die Arbeit zum Schutz seiner Werke. → weiterlesen
Nina Wilkens betrachtet an ihrem Bildschirm die Collage »Gefundene Objekte auf einer Kartonbox«; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Svenja Kutscher
Fünf schwarz-weiß Fotografien einer fast unbekleideten Frau in verschiedenen aufreizenden Posen, beschmutzt und schief auf Kartonpapier geklebt. Darauf ein mit gelblicher Farbe beschmierter Davidstern. Neben dem weißen Karton ist ein brauner Dildo befestigt. Diese Konstellation an Dingen sieht auf den ersten Blick wie wertloser Abfall aus. Gegenstände, die auf der Erde gelegen und Dreck und Flüssigkeiten abbekommen haben und nun neben- und aufeinander gelegt worden waren. Das Werk von Boris Lurie, das in unserer aktuellen Ausstellung »Keine Kompromisse! Die Kunst des Boris Lurie« (weitere Informationen zur Ausstellung auf unserer Website) zu sehen ist, hat keinen Namen, die Jahresangabe ist uneindeutig.
An diesem Bild blieb ich hängen, als ich vor etwa einem Jahr begann, über das pädagogische Programm zu Boris Lurie nachzudenken und mich an meinem Computer durch einen Ordner mit Fotos von Werken klickte, die für unsere Ausstellung interessant schienen. Mich irritierte meine Reaktion auf die Collage aus zwei- und dreidimensionalen Objekten: ein Schwanken zwischen Ekel und Verunsicherung. Ich wollte die Worte »obszön oder geschmacklos« in den Mund nehmen und fand sie unpassend. Das Bild tat weh. Ich fragte mich, wie Schüler*innen auf die Kunst von Boris Lurie reagieren würden. → weiterlesen
Ein Gespräch mit Peter Weibel über Boris Lurie als ultra-realistischen Neo-Avantgardisten und Pornografie als Metapher der kapitalistischen Gesellschaft
Boris Lurie, »A Jew is dead«, 1964; Boris Lurie Art Foundation, New York, USA
Mirjam Bitter, Blogredaktion: Im Begleitprogramm zu unserer Boris Lurie-Retrospektive halten Sie am 30. Mai 2016 bei uns im Museum einen Vortrag zum Thema »Der Holocaust und das Problem der visuellen Repräsentation« (weitere Informationen in unserem Veranstaltungskalender). Ist damit die These verbunden, dass der Holocaust ein zentraler Aspekt in Boris Luries Werk ist?
Peter Weibel
© ONUK
Peter Weibel: Für die Neo-Avantgarden nach dem 2. Weltkrieg waren der Krieg und der Holocaust, Hiroshima und Nagasaki zentrale traumatische Erfahrungen. Nehmen Sie zum Beispiel das Bild »Hiroshima« (1961) von Yves Klein und das Environment »Zeige Deine Wunde« von Joseph Beuys (1974–1975). Viele Künstler antworteten auf die erlebte Inhumanität mit einer Infragestellung des Humanismus und sogar der Kultur: Warum haben Literatur, Malerei, Musik, Philosophie diese Barbarei des 20. Jahrhunderts nicht verhindern können? → weiterlesen