Veröffentlicht von am 6. Dezember 2013 0 Kommentare

Neue Hoffnung auf Zugang?

Reflexionen über die ehemaligen Online-Angebote Exilpresse digital und Jüdische Periodika in der NS-Zeit auf der Tagung »Zugang gestalten«

Ende Juni 2012 wurden die Online-Angebote Jüdische Periodika in der NS-Zeit und Exilpresse digital von der Deutschen Nationalbibliothek abgeschaltet. Dies stieß bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Museums auf Bestürzung, weil der Zugang zu den digitalisierten Zeitschriften – wie kürzlich hier beschrieben – von großem Nutzen für die tägliche Museumsarbeit war.

»In unserem Mitarbeiterkreis war das Projekt recht schnell bekannt und wurde seit sicher mehr als 15 Jahren genutzt. Zum Beispiel die Kuratoren, die unsere Ausstellung »Heimat und Exil« konzipierten, haben während der Vorbereitungen davon profitiert, schnellen Zugriff auf die digitalisierten Zeitschriften zu haben. Wir haben außerdem die Besucher unseres Lesesaals bei ihren Recherchen immer wieder auf das Angebot hingewiesen, die es dankbar angenommen haben.«
Ulrike Sonnemann, Leiterin der Bibliothek

Auf der Tagung »Zugang gestalten«, die vor einer Woche hier im Museum stattfand, erklärte Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), nun genauer, wie und warum es zur Abschaltung des digitalen Zugangs kam. Deutlich wird im folgenden Mitschnitt des Votrags nicht nur, wie reichhaltig das digitale Angebot einst war bzw. in den Räumen der DNB noch immer ist (vgl. auch die Liste der Zeitschriften auf der Website der DNB), sondern auch, dass diese Maßnahme durch eine strenge Auslegung des deutschen Urheberrechts unumgänglich erschien. Darüber hinaus weckte Asmus zumindest für die Jüdischen Periodika in der NS-Zeit Hoffnung, dass sie bei der nächsten Tagung damit nicht mehr unter der Überschrift »Zugang gescheitert« auftreten müsse, sondern vielleicht unter »Zugang wieder möglich«.

In der abschließenden Diskussion der Konferenz um die rechtlichen Rahmenbedingungen wurde das Beispiel der jüdischen Periodika erneut thematisiert:  weiterlesen


Der erste Kindertransport

Ausweis mit Passbild und mehreren Stempeln


Kinderausweis von Beate Rose
© Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Beatrice Steinberg

Heute vor 75 Jahren, am 2. Dezember 1938, erreichte der erste Kindertransport englischen Boden. Unter den letzten Kindern, die auf diese Weise gerettet wurden, befand sich Beatrice Steinberg (damals Beate Rose), eine Stifterin von uns. In ihren Memoiren, die wir im Archiv aufbewahren, erinnert sie sich an ihre Abreise aus Deutschland im Sommer 1939:

»[…] Meine Mutter brachte mich zum Zug, der sich später als einer der letzten Kindertransporte nach England herausstellte […]. Ich war so aufgeregt, dass ich die Treppen zum Bahnhof hochstürzte, ohne meiner Mutter auch nur ›Auf Wiedersehen‹ gesagt zu haben. Sie rief mich zurück, wir umarmten und küssten uns, ich bestieg den Zug, ging zum Fenster und wir winkten uns zu. Das war das letzte Mal, dass ich sie sah.«

rundes Schild mit der Aufschrift »Kindertransport«, in der Mitte eine Nummer

Kindertransport-Nummernschild von Beate Rose
© Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Beatrice Steinberg

Für die damals Zwölfjährige war die Reise ein Abenteuer, aber man kann sich vorstellen, wie groß die Verzweiflung gewesen sein muss, die ihre Eltern dazu bewog, die Tochter alleine fortfahren zu lassen. Die Kindertransporte begannen drei Wochen nach dem Novemberpogrom. Beates Vater war zu dieser Zeit im KZ Buchenwald inhaftiert. Ihre Eltern versuchten wie hunderttausende jüdische Männer und Frauen, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Doch welches Land würde seine Grenzen für die Flüchtlingsströme öffnen? Restriktive Einreisebedingungen und eine unüberschaubare Bürokratie machten die Emigration zu einem langwierigen und mühsamen Unterfangen.  weiterlesen


Zugang – oder auch nicht

Ein sitzender Teddybär

Teddybär aus dem Besitz von Ilse Jacobson (1920-2007), Textil, Stroh, Glas, ca. 1920 bis 1930, in unserer Online-Sammlung

56.250. Das ist die Zahl, die mir unsere Sammlungsdatenbank anzeigt, wenn ich nach allen unseren Beständen suche. 56.250 Datensätze, die zum größten Teil einzelne Objekte beschreiben, zum Teil aber auch ganze Sammlungskonvolute. 6.300 davon sind mittlerweile online zu sehen. Die Freigabe der einzelnen Datensätze ist von gemischten Gefühlen begleitet: Zu vielen unserer Objekte hätten wir sehr viel zu sagen. Und viele unserer Objekte sprechen nicht für sich selbst. Dem Teddybär sieht man nicht an, dass er in die Emigration mitgenommen wurde. Wie er gewinnen viele Dokumente und Fotografien ihre Bedeutung nur aus dem biografischen oder dem politischen Zusammenhang. Sie brauchen also eine ausführliche Beschreibung und Schlagworte, die dem Besucher unserer Seite helfen, weitere Objekte zum selben Thema zu finden.

Gleichzeitig müssen wir pragmatisch vorgehen. 15-30 Minuten Arbeitszeit pro Objekt sind schon viel, wenn man ein Konvolut von 250 Einheiten zu inventarisieren hat. Auch Informationen, die uns spontan einfallen, wollen verifiziert werden. Immer arbeiten wir im Bewusstsein, dass es mehr zu sagen und manches zu korrigieren gäbe, wenn wir denn die Zeit hätten, gründlicher zu recherchieren. Ein Ausflug in die Bibliothek oder gar in Archive ist nur für Sonderprojekte oder für besonders wichtige Objekte möglich; umso mehr nutzen wir digitale Quellen.  weiterlesen