Veröffentlicht von am 8. August 2012

R.B. Kitaj, Philip Roth und ich…

Nackte Frau auf einem Drehstuhl

The Ohio Gang, 1964 © R.B. Kitaj Estate 2012. Digital image, The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence

Die Vorbereitungen der Ausstellung »R.B. Kitaj (1932–2007) Obsessionen« im Jüdischen Museum haben mich zu Philip Roth zurückgebracht. Ich versuche ungefähr alle 10 Jahre mal wieder, ihn zu lesen – warum? Aus Neugier; um meine feministische, oder besser schlicht: weibliche Unlust an Roth zu prüfen; um zu sehen, ob vielleicht mit zunehmender Reife ein Erkenntnisprozess einsetzt, der mich dem alternden, sex-besessenen, weißen, männlichen Ego der Roth-Helden mit Empathie begegnen lässt; oder um endlich zu entdecken, warum genau Roth der Meister der US-amerikanischen Literatur ist, der er unbestritten ist. Es heißt, der lüsterne Puppenspieler Mickey Sabbath aus »Sabbath’s Theater« ist dem Nachbarn und Freund des Autors, R.B. Kitaj, nachempfunden, aber auch andere Figuren Roths tragen Züge oder teilen biografische Stationen des Künstlers. Fazit: Ich kann nicht behaupten, dass mir die Figuren von Philip Roth sympathischer geworden sind, aber ich merke, sie sind in einer gewissen Weise »historisch« geworden, ein Abbild ihrer Zeit, und ein bisschen ist es so, wie man sich an den grabschenden Chauvis von Mad Men erfreut, ohne sich unbedingt in die Zeit der übersexten Sekretärinnen und verhuschten Hausfrauen zurückzusehnen. Auf jeden Fall ist die projizierte Figur des Künstlers R.B. Kitaj in meiner Vorstellungskraft plastischer, dreidimensionaler geworden – und ich bin umso mehr gespannt darauf, den »echten« Kitaj ab September in den Gemälden im Jüdischen Museum kennenzulernen!

Mehr zu R.B. Kitaj finden Sie unter: www.jmberlin.de/kitaj

Signe Rossbach, Veranstaltungskuratorin


Veröffentlicht von am 6. August 2012

Heimkehr nach Polen

Emblem mit Davidstern     Europakarte mit Fahnen

2007 von der israelischen Künstlerin Yael Bartana initiiert, versucht die Jewish Renaissance Movement in Poland, 3,3 Millionen Juden nach Polen »zurückzuholen«, und das Land, das den größten Verlust jüdischen Lebens in den Jahren 1941–1945 erlitt, somit wiederzubeleben. Von den Nationalsozialisten wurden schätzungsweise drei Millionen polnische Juden ermordet, 300.000 konnten fliehen.
Im letzten Mai rief die Bewegung zu einer internationalen Konferenz bei der 7. Berliner Biennale auf, um ihr Programm zu formulieren. Bei der Venedig-Biennale des vorigen Jahres war die Bewegung durch mehre Filme repräsentiert, die von fiktionalen »Heimkehrten« erzählten. Für weitere Infos siehe: www.jrmip.org

Anna Povejsilova, Medien

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Veröffentlicht von am 3. August 2012

Woody Allens deutsche Schreibmaschine

Woody Allen: A Documentary handelt vom Leben und Werk eines der einflussreichsten jüdischen Filmemacher der letzten fünfzig Jahre. In einer Reihe von Interviews geben Kollegen und Zeitgenossen wie Martin Scorsese, Diane Keaton, Scarlett Johansson, Naomi Watts und Stephen Tenenbaum Anekdoten und Lobreden über Allen zum Besten. Leider sagen die meisten nicht viel mehr, als dass Woody Allen ein »super Typ« sei, mit dem man phantastisch arbeiten könne. Der Film versäumt durchweg, nachhaltigeren Fragen nachzugehen, wenn sie auch gelegentlich anklingen.

Woody Allen mit Kopfhörer

Woody Allen © MCM, Foto: Brian Hamill

So bleibt unbeantwortet, inwiefern Allen seinen jüdischen Hintergrund als Quelle und Zielscheibe seines Humors versteht? Ob Allens Zeitgenossenschaft mit dem Nationalsozialismus (er wuchs im New York der 1940er Jahre auf) die Darstellung seiner neurotischen jüdischen Filmcharaktere beeinflusst hat? Was ihn »Anfang der 1940er Jahre« von einem fröhlichen Kleinkind in ein übellauniges Kind verwandelt hat? Und warum er seine Drehbücher auf einer veralteten deutschen Schreibmaschine tippt, die er mit einem Panzer vergleicht, der ihn, wie er meint, lange überleben wird? Als kinematographisches Äquivalent zur Berichterstattung in der Boulevardpresse, wird der Film Woody Allen als einer der subtileren und intellektuelleren Figuren in der Populärkultur jedenfalls nicht gerecht. (Woody Allen: A Documentary. Regie: Robert B. Weide.)

Naomi Lubrich, Medien

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