Veröffentlicht von am 23. Juni 2016 0 Kommentare

Boris Lurie – Versuche der Annäherung für Schüler*innen

Nina Wilkens vor ihrem Computermonitor

Nina Wilkens betrachtet an ihrem Bildschirm die Collage »Gefundene Objekte auf einer Kartonbox«; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Svenja Kutscher

Fünf schwarz-weiß Fotografien einer fast unbekleideten Frau in verschiedenen aufreizenden Posen, beschmutzt und schief auf Kartonpapier geklebt. Darauf ein mit gelblicher Farbe beschmierter Davidstern. Neben dem weißen Karton ist ein brauner Dildo befestigt. Diese Konstellation an Dingen sieht auf den ersten Blick wie wertloser Abfall aus. Gegenstände, die auf der Erde gelegen und Dreck und Flüssigkeiten abbekommen haben und nun neben- und aufeinander gelegt worden waren. Das Werk von Boris Lurie, das in unserer aktuellen Ausstellung »Keine Kompromisse! Die Kunst des Boris Lurie« (weitere Informationen zur Ausstellung auf unserer Website) zu sehen ist, hat keinen Namen, die Jahresangabe ist uneindeutig.

An diesem Bild blieb ich hängen, als ich vor etwa einem Jahr begann, über das pädagogische Programm zu Boris Lurie nachzudenken und mich an meinem Computer durch einen Ordner mit Fotos von Werken klickte, die für unsere Ausstellung interessant schienen. Mich irritierte meine Reaktion auf die Collage aus zwei- und dreidimensionalen Objekten: ein Schwanken zwischen Ekel und Verunsicherung. Ich wollte die Worte »obszön oder geschmacklos« in den Mund nehmen und fand sie unpassend. Das Bild tat weh. Ich fragte mich, wie Schüler*innen auf die Kunst von Boris Lurie reagieren würden.  weiterlesen


Veröffentlicht von am 20. Juni 2016 0 Kommentare

Hannah Arendt – eine scharfdenkende Beobachterin ihrer Epoche neu gelesen

Titelblatt des Sonderhefts zu Hannah Arendt vom philosophie Magazin»Da ist irgendetwas passiert, mit dem wir alle nicht mehr fertig werden«, sagte Hannah Arendt über Auschwitz und die Folgen in einem legendären Fernsehinterview mit Günter Gaus. Ein zweiminütiger Ausschnitt aus diesem Interview bildet den Auftakt der Filminstallation zum Auschwitz-Prozess in unserer Dauerausstellung (vgl. den Blogtext zur Neueröffnung dieses Ausstellungskapitels im Sommer 2013). In einer Ausstellung mit Fotografien von Fred Stein (2013/2014) haben wir unter anderem seine berühmten Porträts der politischen Theoretikerin gezeigt, die wir auch hier im Blog vorstellten (ein weiteres finden Sie auf der Ausstellungswebsite).

Hannah Arendt beeinflusst auch zeitgenössische Künstler*innen: Alex Martinis Roe forderte in ihrem Werk für unseren Kunstautomaten mit dem Titel »Brief an die Deutsche Post«, dass die Briefmarke mit der Abbildung Hannah Arendts neu aufgelegt werde (vgl. unser Interview mit der Künstlerin hier im Blog). Im Dezember letzten Jahres fand bei uns im Museum zudem ein Symposium statt, das ausgehend von Hannah Arendt die aktuelle Bedeutung von Pluralität für Theorie und Praxis auslotete (vgl. die Vortragsthemen in unserem Veranstaltungskalender).

Nun hat das Philosophie Magazin der Ausnahmedenkerin unter dem Titel Hannah Arendt. Die Freiheit des Denkens ein Sonderheft gewidmet, das seit dem 16. Juni 2016 erhältlich ist.  weiterlesen

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Veröffentlicht von am 14. Juni 2016 2 Kommentare

Wie ich meinen inneren Hans-Jürgen entdeckte

Unser Projekt zur Topografie jüdischen Lebens in Deutschland

Dana Müller fotografiert einen Stolperstein

Stolperstein für Editha Machol in der Yorkstraße 88 in Kreuzberg; Jüdisches Museum Berlin

»Ich habe für Dich wieder Hans-Jürgen gespielt«, sagte mein Vater vergnügt, als er mich am Pfingstwochenende anrief. Hans-Jürgen ist 68, pensionierter Lehrer und interessiert sich für jüdische Regionalgeschichte. Nun ist mein Vater kein pensionierter Lehrer und heißt eigentlich Rudi, hat aber sozusagen Hans-Jürgen-spezifisches Verhalten gezeigt: Er hat an einer öffentlichen Führung auf einem jüdischen Friedhof in seinem Heimatort teilgenommen, seine Eindrücke fotografisch festgehalten und uns nach Berlin geschickt. Denn Hans-Jürgen gibt es so gar nicht, er ist nur eine der fiktiven Personen, die wir genutzt haben, um einen Prototypen – eine Art Test-Vorab-Version – für eine kartografische Anwendung zu entwickeln. Dieser Prototyp ist die Grundlage für das Online-Portal, das wir in den kommenden zwei Jahren im Jüdischen Museum Berlin realisieren wollen. Ziel ist es, erstmals umfassende Informationen zu Orten jüdischen Lebens in Deutschland zentral zu erfassen und auf einer interaktiven Karte online zugänglich zu machen.  weiterlesen