Kurz nach Eröffnung der Wechselausstellung »Haut ab!« wurde dem Jüdischen Museum Berlin der Nachlass von Fritz Wachsner (1886-1942) geschenkt. Das darin überlieferte Konvolut von Briefen ist so umfangreich, dass ich bei der Inventarisierung nicht immer genügend Zeit habe, um mich in die einzelnen Schriftstücke zu vertiefen. Bei einem Brief bleibe ich jedoch hängen. »[…] Dein Gutachten über die Frage der Beschneidung […]«, schrieb Wachsner am 24. Juli 1919 an Anselm Schmidt (1875-1925), den Onkel seiner – damals hochschwangeren – Ehefrau Paula. Ich lese mich fest und befinde mich plötzlich inmitten einer innerjüdischen Beschneidungsdebatte, die vor fast einhundert Jahren geführt wurde.
Fritz Wachsner mit seiner Frau Paula und seiner erstgeborenen Tochter Charlotte, Atelieraufnahme, ca. 1916 © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jörg Waßmer, Schenkung von Marianne Meyerhoff
Fritz Wachsner, seinerzeit Lehrer im brandenburgischen Buckow, legt in dem fünfseitigen Brief die Gründe für seine ablehnende Haltung gegenüber der Brit Mila dar. Er war ein assimilierter deutscher Jude und gehörte der Jüdischen Reformgemeinde an. Gegenüber seinem Onkel erklärte der 33-Jährige, dass er »ziemlich orthodox erzogen« worden sei, dann aber im Verlauf seines Studiums an den Universitäten in Berlin und Jena sowie an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums zu Berlin, »den Geist des Judentums frei von allem undeutschen Beiwerk kennen und schätzen« gelernt habe. Er sei dabei zu der Überzeugung gelangt, dass der religiöse Kultus sich ständig weiter entwickeln und »zeitgemäss weiterbilden« müsse. Wachsners Maxime: »Werdet Deutsche, auch im Kultus« bekommt insbesondere dann → weiterlesen
In manchen Familien ist das Thema Beschneidung Auslöser intensiver Diskussionen, wie auch in den Filmbeispielen in unserer aktuellen Sonderausstellung »Haut ab! Haltungen zur rituellen Beschneidung« deutlich wird. Oliwia kennt diese schwierige Situation: Während der Eingriff für ihren muslimischen Mann selbstverständlicher Teil der Tradition ist, argumentiert vor allem ihr katholischer Vater heftig dagegen. Soll also ihr vierjähriger Sohn beschnitten werden? Und wie sieht Oliwia die Praxis selbst? Über diese Fragen und ihre letztendliche Entscheidung habe ich mit Oliwia gesprochen.
Oliwia*, aus welcher Konstellation speist sich bei Euch der Streit über die Beschneidung?
»Jungen vor ihrer Beschneidung«, Köln, 1983 © Henning Christoph / Soul of Africa Museum, zu sehen in der JMB-Sonderausstellung »Haut ab!«
Mein Mann ist Marokkaner und Moslem, ich komme aus einem römisch-katholischen Elternhaus, bin allerdings 2006 zum Islam konvertiert. Nun haben wir vor vier Jahren einen Sohn bekommen. Für meinen Mann war von Anfang an klar, dass Jamal beschnitten wird. Das ist für ihn Teil der Tradition und ein Symbol der Zugehörigkeit zum Islam.
Für Dich war die Sache aber gar nicht so klar?
Nein. Eigentlich bin ich → weiterlesen
»Eine Feier mit Familie und Freunden«: Die Brit von Jaal, Foto: William Noah Glucroft
In den vergangenen Wochen haben wir auf »Blogerim« von den Diskussionen berichtet, die das Thema Beschneidung nach sich ziehen kann. Dabei sollte allerdings nicht aus den Augen verloren werden, dass für die meisten jüdischen und muslimischen Familien der Ritus eine Selbstverständlichkeit ist – so auch für Amitay und Meital aus Israel. Das Paar lebt in Berlin und hat Anfang Dezember einen Jungen bekommen. Ich habe die beiden gefragt, wie sie die Brit Mila des kleinen Jaal erlebt haben.
Mitte Dezember habt Ihr Jaal in der Synagoge Fraenkelufer von einem Mohel beschneiden lassen. Habt Ihr lange überlegt, ob Ihr diesen Schritt geht?
Meital: Für mich war es gar keine Frage.
Amitay: Für mich auch nicht. Als der Moment immer näher rückte, kamen mir aber doch einige Fragen. → weiterlesen