»Remember, remember …« – ein Tag im November

Der 9. November war in England, wo ich aufwuchs, kein nationaler Gedenktag. Für uns galt:

»Gedenke, gedenke des 5. November, Pulver, Verschwörung, Verrat …«

Kupferstich einer Gruppe von Männern in einer Unterhaltung

Die Pulververschwörung, Kupferstich ca.1605-06

Der 5. November war das Datum, an dem Guy Fawkes, ein katholischer Renegat, spektakulär beim Versuch gescheitert war, das Parlament in London mit Schießpulver in die Luft zu sprengen. Seit über 400 Jahren hatte er seinen festen Platz im kulturellen Gedächtnis.
Bei uns zu Hause jedoch blieb auch der 9. November nie unerwähnt. Er wurde immer mit Schaudern auf Deutsch kommentiert: »Kristallnacht.« Ein Ausdruck, für den es auf Englisch keine Entsprechung gibt.

Als ich 2001 nach Deutschland zog, stellte ich staunend fest, dass zum 9. November die organisierten Pogrome gegen Juden im Jahr 1938 tatsächlich ein Thema in den Medien und Gegenstand von Gedenkveranstaltungen waren.  weiterlesen

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Verwirrende Vermächtnisse

Deborah Wargons Werke für unseren Kunstautomaten holen unter den Teppich Gekehrtes hervor

Portraitaufnahme einer Frau mit rotem Lippenstift und schwarzen langen Locken. Sie sitzt auf einem Balkon schaut direkt in die Kamera.

Porträt von Deborah Wargon © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Gelia Eisert

Ein herzlicher Empfang, Duft nach frisch gekochtem Essen, ein hoher lichtdurchfluteter Raum voller bunter Bücher und Bilder und ein Klavier, auf dem ein Wegweiser nach Australien zeigt – mein erster Kontakt mit Deborah Wargon in ihrem Wohn-Atelier im Prenzlauer Berg passt so gar nicht zu den eher strengen und düsteren Assoziationen, die das Wort »Testamentsvollstreckerin« bei mir auslöst. Diese Selbstbezeichnung gibt sich die 1962 in Melbourne geborene Musikerin, Theaterfrau und Bildende Künstlerin auf dem ›Beipackzettel‹ zu den kleinformatigen Kunstwerken, die sie für den Kunstautomaten in unserer Dauerausstellung geschaffen hat. Sie tragen den Titel »Das Vermächtnis der Friede Traurig«, und Deborah Wargon, die sonst vor allem für ihre Scherenschnitte in ehemaligen Insektenkästen bekannt ist, sagt dazu, dass sie eher traurig seien.

Wenn man mit etwas Glück eines ihrer Werke zieht, erhält man beispielsweise eine kleine menschliche Figur aus Gleisschotter, Draht und Zeitungspapier. Neben dem sprechenden Namen »Friede Traurig« ruft auch das Material traurige Geschichten von Zugtransporten und Drahtzäunen auf, zumal es sich bei dem verwendeten Zeitungspapier um Zeitungen aus dem Zweiten Weltkrieg handelt. Doch nicht nur um die konkrete Zeit des Nationalsozialismus und der Schoa geht es der Künstlerin offenbar, sondern allgemeiner um die Vermächtnisse, das Erbe und die Geschichten, die wir alle mit uns herumtragen.  weiterlesen


Veröffentlicht von am 10. Juli 2014 0 Kommentare

Klein aber oho, oder:

Wie aus 3000 Sammlungsobjekten eine Kabinettausstellung zum Ersten Weltkrieg wurde

Eine Pickelhaube und weitere Helme

Sammlungsobjekte in unserer aktuellen Ausstellung »Der Erste Weltkrieg in der jüdischen Erinnerung«
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Mariette Franz

Vergangene Woche eröffnete unsere Ausstellung »Der Erste Weltkrieg in der jüdischen Erinnerung«. Sie umfasst vor allem Objekte aus Familiensammlungen, die dem Jüdischen Museum geschenkt wurden und eine ganz persönliche Geschichte erzählen.
Gezeigt werden insgesamt 176 Objekte, die acht Kuratorinnen und Kuratoren, sechs Restauratorinnen und Restauratoren, zwei Ausstellungstechniker, eine Übersetzerin und ein Graphiker ausgewählt, aufbereitet und visuell in Szene gesetzt haben. Das hört sich nach einer ziemlich großen Ausstellung an, und ich habe noch nicht einmal die zahlreichen guten Geister im Hintergrund genannt, insbesondere die studentischen Hilfskräfte und die Hausmeister. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Sammlungspräsentation unserer Bestände zum Ersten Weltkrieg in der Vitrine des Rafael Roth Learning Centers.  weiterlesen