Ich reagiere schon mit Kopfschütteln, wenn deutsche Freunde aus dem hessischen Darmstadt in die umliegende Provinz ziehen. Umso absurder und wagemutiger erscheint die Entscheidung einer israelischen Familie, ihren Wohnsitz von Tel Aviv nicht etwa wie viele Israelis nach Berlin zu verlegen (vgl. den Blogtext »Von Israelis für Israelis. Zehn Regeln für Berlin« auf Spree-Aviv.de), sondern ins hessische Niederbrechen zu ziehen. Genau dies aber ist die Ausgangssituation von Sarah Diehls Debütroman Eskimo Limon 9. Sie erlaubt es ihr, einen »Culture-Clash der besonderen Art« darzustellen, wie es im Klappentext heißt.
Buchcover
© Atrium Verlag
Da sind auf der einen Seite die israelischen Figuren. Die sind alles andere als versessen auf Gespräche über die deutsche Vergangenheit oder die Geschichte der europäischen Jüdinnen und Juden.
»Das Einzige, was mich im Jüdischen Museum an meine Lebenswelt erinnern wird, werden wahrscheinlich die Metalldetektoren sein, durch die man am Eingang gehen muss.«
Dem israelischen Familienvater Chen wäre es lieber, die Deutschen »würden uns mit Eskimo Limon in Verbindung bringen als mit sechs Millionen Toten.« Der Romantitel bezieht sich also auf die gleichnamige Filmserie, die hierzulande in den achtziger Jahren unter dem Titel Eis am Stiel lief, »eines der wenigen Ereignisse der israelischen Popkultur […], die einem deutschen Publikum bekannt wurden«. Allerdings dachten viele, die Filme kämen aus Italien, was zeigt – so die Autorin im Nachwort –, wie selektiv nichtjüdische Deutsche Israel wahrnehmen und wie beschränkt ihre Vorstellung von Jüdischkeit häufig ist.
Auf der anderen Seite stehen die Eingeborenen Niederbrechens. → weiterlesen
Namen verraten die Hoffnungen, Vorstellungen, Projektionen von Vätern und Müttern, folgen Trends und deuten auf die Herkunft ihrer Träger hin.
Für Juden sind mit der Namensgebung eines Kindes viele Entscheidungen verbunden: Soll der Name die Zugehörigkeit unterstreichen, nur für andere Juden kenntlich sein, oder gerade nicht? Ist er geläufig in der Sprache des Landes, aus dem eine Familie kam oder in das ein Kind geboren wird? Welche Übersetzungen hat er erlebt? An wen soll er erinnern? Kolleginnen und Kollegen sowie Freundinnen und Freunde des Jüdischen Museums Berlin teilen in diesem Blog ihre Gedanken zu diesen und anderen Fragen mit.
Naomi
Mein Name bedeutet »angenehm« auf Hebräisch, und angenehm war er in Nordamerika Mitte der 70er Jahre tatsächlich: angenehm normal. Naomi war weder einer der Modenamen wie Jennifer, Amy, Melissa und Heather, noch war er so außergewöhnlich wie die Namen anderer Flower-Power-Kinder dieser Zeit wie Blossom, Charisma, Summer oder Echo. → weiterlesen
– und andere religiöse Verwandlungen
Der unfreiwillige Elch
Im Sommer letzten Jahres ging ein globales Kichern durch die jüdische Onlinegemeinde, als ein eBay-Händler einen Navajoanhänger in Form eines Elchs zum Verkauf anbot. Dieses als »einzigartiger, originaler Navajo Elchanhänger, 925 Silber, 0,8 Gramm« beschriebene Schmuckstück war eigentlich ein jüdisches Amulett in Form des hebräischen Worts »chai«. Das Motiv, das übersetzt »Leben« bedeutet, ist beliebt und unter jüdischem Schmuck häufig zu finden. Es besteht aus den zwei Buchstaben Chet und Jod, die eigentlich kaum mit einem Tier zu verwechseln sind. Doch bei diesem Anhänger waren die Buchstaben schematisch und miteinander verbunden dargestellt, so dass sie tatsächlich wie ein Tier mit Hörnern im typisch indianischen Stil aussahen. → weiterlesen