Veröffentlicht von am 7. Mai 2015 2 Kommentare

»Koscherwichtel« und alles ist gut? Ein Gespräch mit Anna Adam

Anna Adam steht an einem Grenzpfosten

Anna Adam, »Seelsorge am Deutsch-Polnischen Grenzpfosten«, März 2015 © Jalda Rebling

Der Weg ist nicht einfach zu finden. Wie gut, dass mich die Künstlerin an der nahegelegenen U-Bahn-Station im Wedding abholt. Gemeinsam queren wir Gewerbehöfe, kommen an einem Halal-Imbiss vorbei, steigen Treppen und stehen plötzlich vor der Ateliertür. Kaum hat Anna diese geöffnet, entdecke ich den »Koscherwichtel«, der alles mit seinem Fernglas betrachtet.

Genau diese Figur hat die Künstlerin für unseren Kunstautomaten auf eine Karte gebracht, die man durch Schneiden und Falzen in ein dreidimensionales Objekt verwandeln kann. Auf der Anleitung steht, dass man sich dieses in die Küche stellen solle und alles gut werde.

Ateliertür mit »Koscherwichtel«

Ateliertür mit »Koscherwichtel« © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Gelia Eisert

Anna, was bedeutet der seltsame Name »Koscherwichtel«? Passen »koscher« und »Wichtel« überhaupt zusammen? Wieso wird dann alles gut? Ich bin irritiert.

Bei uns zu Hause stand »Wichtel« für einen kleinen, wichtigen Mann. Von diesen »wichtigen Männern« gibt es viele. Geboren wurde mein »Koscherwichtel« im Jahre 2002. Er soll auf jeden Fall irritieren. »Koscher« und »Wichtel« passen zusammen, weil ich mich der »Heilung der deutsch-jüdischen Krankheit«, wie ich das nenne, verschrieben habe. Dafür arbeite ich mit satirischen Mitteln, die im Unterschied zur Comedy tagespolitische Ausgangspunkte haben.

Du hast sein Geburtsjahr erwähnt. Unter welchen Umständen wurde der »Koscherwichtel« geboren?  weiterlesen

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Veröffentlicht von am 17. April 2015 0 Kommentare

Kohlrabenschwarze Sprache

Ein Mädchen im roten Mantel vor schwarz weißem Hintergrund

Buchcover »Blumen für den Führer« © Verlag cbj

Über die Zeit des Nationalsozialismus gibt es unzählige Publikationen, und immer wieder kommen neue Romane, Sach- und Jugendbücher auf den Markt, die sich mit dem Thema befassen. Dazu gehört auch Jürgen Seidels »Blumen für den Führer«, das erste Buch einer Romantrilogie, rezensiert als »sehr komplexer, bewegender und spannender Jugendroman über eine tragische Liebe im Nationalsozialismus«, der auch für »Erwachsene lesenswert« sei. In einer Gruppe, die sich mit Kinder- und Jugendliteratur zum Nationalsozialismus befasst, lasen wir diese Trilogie. Und stellten bald fest, dass wir nicht, wie geplant, über die Darstellung des Nazi-Regimes und der deutschen Geschichte würden diskutieren müssen, sondern über ein anderes Thema: Rassismus.
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»Ich seh’ ein Land, hell und klar,
und die Zeit ist schon nah
dann werden wir dort leben, du und ich …«

Bald ist Pessach – das Fest von Exodus und Freiheit. Wobei dieses Jahr seltener als sonst vom Festmahl mit der ganzen Gemeinde die Rede ist. Keiner sagt es laut, aber jedem ist klar, dass man besser in kleinerer Gruppe zu Hause feiert. Wir meiden die Gemeindehäuser aus Furcht. Bloß nicht auffallen. Auf der Straße nicht Hebräisch sprechen. Manche entfernen die Mesusa aus ihrem Türrahmen, weil sie ein Haus oder eine Wohnung als jüdisch kenntlich macht. Die vorherrschende Stimmung ist angespannte Vorsicht.

Wie ist es so weit gekommen?

Plakat an einer Litfaß-Säule: Imam Ferid Heider und Rabbiner Daniel Alter werben gemeinsam für die »Cycling Unites«-Critical-Mass-Tour am 22. März 2015 in Berlin

Imam Ferid Heider und Rabbiner Daniel Alter werben gemeinsam für die »Cycling Unites«-Critical-Mass-Tour am 22. März 2015 in Berlin, Foto: Michal Friedlander

Juni 2014
Berlin, Friedrichstraße. Ein Betrunkener rollt langsam über den Bahnsteig, bis er auf die U-Bahngleise stürzt. Etwa 60 Leute stehen dabei und schauen weg, in der Hoffnung, dass jemand anders sich des unappetitlichen Problems annimmt. Und tatsächlich, ein Italiener und ein Israeli springen ins Gleisbett und holen den so gut wie bewusstlosen Mann wieder heraus. Die Menge schiebt sich an ihnen vorbei und drängt zum ankommenden Zug.

Juli 2014
Gespräche bei einer Dinnerparty. Meine Tischnachbarn werden politisch, aber ich habe keine Lust, über Israel zu reden. Der junge Mann neben mir fragt mich, ob ich die jüngste Pro-Palästinenser-Demo auf dem Kurfürstendamm gesehen hätte. Mit gedämpfter Stimme fährt er fort:  weiterlesen