Dienstag,
28. Februar 1933
Tagebucheintrag von Erich Seligmann
Erich Seligmann führt sein 1908 begonnenes Tagebuch im Jahr 1933 nur an 22 Tagen. In zum Teil langen Einträgen nimmt er zwar Bezug auf die politischen Ereignisse, in erster Linie jedoch reflektiert er seine eigene Situation: Ende März wird er von seinem Amt als Direktor des Wissenschaftlichen Instituts des Hauptgesundheitsamtes beurlaubt. Im August werden ihm »unpatriotische Gesinnung« und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Seine Beschwerden und Gegenbeweise sind vergeblich. Ende des Jahres bezeichnet der Kommissarische Oberbürgermeister in einem Brief Seligmann als »Exponent der jüdisch-demokratisch-sozialdemokratischen Mitglieder des Hauptgesundheitsamtes«, »für den in der nationalsozialistischen Stadtgemeinde kein Raum mehr ist«.
Kurz nach seiner Beurlaubung wird Erich Seligmann zum Direktor des neu geschaffenen Gesundheitsamtes der Berliner Jüdischen Gemeinde ernannt und fungiert zudem als Präsident des Jüdischen Krankenhauses. Erst 1939 entschließt er sich, Deutschland zu verlassen, und kann über England in die USA ausreisen, wo er seine glänzende Karriere fortsetzt.
Aubrey Pomerance