Donnerstag,
28. September 1933
Bescheinigung über die Mitgliedschaft in der Freimaurerloge »Zur Bruderkette« für Siegmund Baruch
Der Nationalsozialismus stand der Freimaurer-Bewegung von Beginn an besonders feindlich gegenüber. Die fünf Leitsätze der Freimaurer – Toleranz, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Humanität – standen der völkischen, nationalistischen, rassistischen und totalitären Ideologie der Nationalsozialisten diametral entgegen. Zudem übernahmen sie die Idee einer jüdisch-freimaurischen Weltverschwörung, die in den berüchtigten »Protokollen der Weisen von Zion« (1920 erstmals auf Deutsch erschienen) propagiert wurde. Das antisemitische Pamphlet hatte großen Einfluss auf die Weltanschauung von Adolf Hitler und führenden Mitgliedern der NSDAP.
Um der nach dem Machtwechsel sogleich einsetzenden Verfolgung zu entgehen, lösten sich viele Freimaurerlogen selbst auf. So auch die Hamburger Loge »Zur Bruderkette« am 18. April 1933. Die 1847 gegründete Loge, in der sich mehrheitlich Geschäftsleute zusammenfanden, hatte von Beginn an Juden offen gestanden. Wie hoch ihr Anteil war, lässt sich nicht mehr ermitteln, dass sie aber wichtige Positionen einnahmen, wird an der Person des jüdischen Lehrers Joseph Feiner deutlich, der als »Meister vom Stuhl« von 1921 bis 1926 an der Spitze der Loge stand.
Auch Siegmund Baruch (1884–1957), für den die hier gezeigte Bescheinigung ausgestellt wurde, hatte während seiner fast 21-jährigen Mitgliedschaft als Bücherwart, Archivar und Redner bedeutsame Aufgaben übernommen. Es ist anzunehmen, dass er der letzten Mitgliederversammlung am 12. September beigewohnt hat, bei der über die Verteilung des Vermögens der Loge entschieden wurde.
Nach dem Krieg gründete sich die Loge »Zur Bruderkette« bereits im Oktober 1945 neu. Ob Kontakt zu den ehemaligen jüdischen Mitgliedern aufgenommen wurde, ist nicht klar. Die Festschrift, die 1972 aus Anlass des 125-jährigen Bestehens erschien, gibt hierzu keine Auskunft, weist aber darauf hin, dass nur wenige Mitglieder »die Jahre der Dunkelheit überstanden oder selbst überlebt« hatten.
Aubrey Pomerance