»Heimatkunde. 30 Künstler blicken auf Deutschland«
Sonderausstellung zum 10-jährigen Jubiläum - Presseeinladung
Pressemitteilung von Do, 25. Aug 2011
Gibt es so etwas wie eine nationale Identität? Als was sehen sich Bürger der Bundesrepublik Deutschland und Menschen aus anderen Ländern, die hier leben – seien sie west- oder ostdeutsch geprägt, russischer, türkischer oder anderer Herkunft und welcher Religion auch immer? Die Koordinaten eines vertrauten Selbstbildes begannen sich zu verschieben, lange bevor sich Deutschland zähneknirschend als Einwanderungsland zu definieren begann. Das Jüdische Museum Berlin nimmt sein 10-jähriges Jubiläum zum Anlass für eine Bestandsaufnahme: Die Sonderausstellung „Heimatkunde“ (16. September 2011 bis 29. Januar 2012) zeigt Arbeiten von 30 Künstlern, die zentrale Aspekte ihrer Wahrnehmung in und von Deutschland thematisieren. Acht Auftragsarbeiten sind eigens für die Ausstellung entstanden: von Arnold Dreyblatt, Via Lewandowsky und Durs Grünbein, Anny und Sibel Öztürk, Julian Rosefeldt, Misha Shenbrot, Paul Brody, Azra Akšamija, von Lilli Engel und Raffael Rheinsberg.
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Pressestelle
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presse@jmberlin.de - Postadresse
Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Lindenstraße 9–14
10969 Berlin
Zur Pressekonferenz und zur Eröffnung dieser Ausstellung am Donnerstag, den 15. September 2011 laden wir Sie herzlich ein.
Pressekonferenz
Mit | Cilly Kugelmann, Programmdirektorin, Jüdisches Museum Berlin Margret Kampmeyer, Ausstellungskuratorin, Jüdisches Museum Berlin |
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Anwesende Künstler | Emily Hass, Via Lewandowsky, Julian Rosefeldt, Misha Shenbrot, Miguel Rothschild, Maria Thereza Alves und Ronen Eidelman. |
Wann | 15. September 2011, 11 Uhr |
Vorbesichtigung der Ausstellung | ab 10 Uhr |
Wo | Altbau 1. OG, Bildungsraum |
Programm der abendlichen Eröffnung
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Begrüßung
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Im Wartestand der Gegenwart
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Zur Ausstellung
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One Easy Piece
Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin
Via Lewandowsky, Künstler
Margret Kampmeyer, Ausstellungskuratorin, Jüdisches Museum Berlin
Paul Brody, Performancekünstler
Wann | 15. September 2011, 19 Uhr |
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Wo | Glashof EG |
Eintritt | frei |
Zur Ausstellung „Heimatkunde. 30 Künstler blicken auf Deutschland“
Das Jüdische Museum Berlin nimmt sein 10-jähriges Jubiläum zum Anlass für eine Momentaufnahme der Beziehungen von heute hier lebenden Menschen zu einem Deutschland, das sich durch den Zusammenbruch der Sowjetunion, die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und der Anerkennung, dass fast 20% der hier lebenden Bürger einen sogenannten Migrationshintergrund aufweisen, sichtbar verändert hat. Die zeitliche Distanz zum Holocaust und die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion haben auch das Selbstverständnis der Juden in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren radikal verändert.
Die Kuratoren wollten herausfinden, wie „ethnische“ und eingebürgerte Staatsbürger, zugereiste Ausländer, Juden, Muslime, Christen und religiös Indifferente heute in Deutschland leben, wie sie sich auf diesen Staat und diese Gesellschaft beziehen, welche Vorstellungen sie von sich selbst als Deutsche haben: Denn das alte Thema des „Fremden“ und „Anderen“, der Ausgrenzung und Zugehörigkeit, wird unter den Prämissen der aktuellen Verhältnisse neu diskutiert. Dies sind Fragen, die zu den Kernthemen des Jüdischen Museums gehören.
Mit der Ausstellung „Heimatkunde“ begibt sich das Jüdische Museum Berlin auf die Erkundung von Phänomenen, die zwischen Nationalbewusstsein, Heimatgefühl, Zugehörigkeit und Ausgrenzung angesiedelt sind. Für diese Heimaterkundung hat das Museum den subjektiven Zugang durch Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern gewählt.
26 Positionen zu deutschen Wirklichkeiten
Für die Ausstellung wurden Künstler eingeladen, die in Deutschland leben oder gelebt haben und die in ihren Werken auf das heutige Deutschland Bezug nehmen. Sie stellen darin zentrale Aspekte ihrer Wahrnehmung in den Vordergrund: Die Arbeiten thematisieren Familienerinnerungen und das kollektive Gedächtnis, nationale Mythen, die Erfahrung der Migration und schließlich Sprache und Religion. Die ausgestellten Installationen, Video- und Filmarbeiten, Foto-Serien, Gemälde und Druckgrafiken sind in den letzten 10 Jahren entstanden.
Erfahrungen des Fremdseins und der Migration, stehen im Zentrum der Fotoserie „Ich werde deutsch“ des im Iran geborenen Künstlers Maziar Moradi. Hier inszeniert er biographische Schlüsselmomente von Menschen, die nach Deutschland eingewandert oder in einer anderen Kultur verwurzelt sind. Die Schwestern Anny und Sibel Öztürk, mit türkischen und Frankfurter Wurzeln, haben eine 16 Meter breite Wandinstallation entworfen. Klangbiografien präsentiert der kalifornische Performancekünstler Paul Brody, der für seine Soundinstallation „Five Easy Pieces“ Gespräche über das Hiersein zu mehreren Kompositionen verdichtete. Die aus Bosnien stammende Künstlerin Azra Akšamija hat mit der „Dirndlmoschee“ ein modernes Dirndlkleid geschaffen, das sich in einen Gebetsraum für drei Personen verwandeln lässt und spielt mit dem Bezug zwischen islamischer Tradition und der der westlichen Welt.
Mehrere Arbeiten umkreisen das Thema der Familienerinnerung und des kollektiven Gedächtnisses. Der New Yorker Musiker und Künstler Arnold Dreyblatt hat mit seiner ersten autobiografischen Arbeit „My Baggage“ eine Installation geschaffen, in der er 150 Dokumente seiner Familiengeschichte aus Osteuropa, USA und Berlin assoziativ gruppiert. Die israelische Künstlerin Maya Zack rekonstruiert deutsche „Living Rooms“ nach der Erzählung eines jüdischen Bewohners, der in den 1930er Jahren fliehen musste und gestaltet sie als große 3D-Bilder.
Mit nationalen Mythen spielen eine Reihe von Kunstwerken. Gleich zwei Arbeiten greifen mit dem deutschen Wald einen wichtigen emotionalen Bezugspunkt zu Deutschland auf. Lilli Engel und Raffael Rheinsberg haben eine „Naturkunstzelle“ entworfen, einen übermannshohen Heckenkubus aus Eiben, der den Besucher mit dem deutschen Schrebergartenidyll konfrontiert. Julian Rosefeldt wendet sich deutschen Waldmythen in einer Filminstallation zu: Der Plot von „Meine Heimat ist ein düsteres wolkenverhangenes Land“ führt den Betrachter bewusst in die Irre und entfaltet in seiner zentralen Szene eine groteske Wald-Aufführung mit singenden Germanen, demonstrierenden Naturschützern und einem Bläserensemble.
„Was ist deutsch?“: Archivraum der Populärkultur
Ein dokumentarisches Ausstellungskapitel wirft mit Objekten, Dokumenten und Filmen der Populärkultur, einen Blick auf Deutschland in den letzten 10 Jahren: Wie hat sich die Marke Deutschland verändert? Von Biosupermärkten in Modelleisenbahnlandschaften über Regenponchos in Nationalfarben, bis hin zu Kartoffelpartys und Parkschützern – der Archivraum betreibt selbst Heimatkunde und untersucht diverse Fragen des Deutschwerdens.
Zur Ausstellungsgestaltung
Die Ausstellungsgestaltung von Holzer Kobler Architekturen (Zürich/Berlin) spielt mit der Architektur des von Daniel Libeskind entworfenen Neubaus des Jüdischen Museums. Die Gestalter haben den Grundriss des barocken Altbaus gekippt und gedreht und als „White Cube“ in die Ausstellungsräume implantiert.
Beteiligte Künstler: Azra Akšamija, Nevin Aladağ, Maria Thereza Alves, Candice Breitz, Andrea Büttner, Paul Brody, Arnold Dreyblatt, Ronen Eidelman, Lilli Engel & Raffael Rheinsberg, Eldar Farber, Özlem Günyol, Emily Hass, Victor Kégli, Via Lewandowski und Durs Grünbein, Boris Mikhailov, Maziar Moradi, Anny und Sibel Öztürk, Benyamin Reich, Julian Rosefeldt, Miguel Rothschild, Misha Shenbrot, Alexej Tchernyi, Micha Ullman, Clemens von Wedemeyer, Maya Zack.
Die Ausstellung wurde von einem Team des Jüdischen Museums kuratiert, von Inka Bertz, Denis Grünemeier, Margret Kampmeyer, Cilly Kugelmann, Martina Lüdicke und Mirjam Wenzel.
Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und der Wall AG.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit Abbildungen aller ausgestellten Werke sowie vier Essays der Kuratorinnen, Texten zu den Kunstwerken und einem kompletten Werkverzeichnis:
„Heimatkunde. 30 Künstler blicken auf Deutschland“, herausgegeben vom Jüdischen Museum Berlin. 200 Seiten, ca. 200 farbige Abbildungen, Klappenbroschur, 24,90 € (Museumsausgabe), Hirmer Verlag, München. ISBN: 978-3-7774-5021-6. Pressepreis: 7 €.