Direkt zum Inhalt

»bios [torah]«: Roboter schreibt Tora-Rollen

Presseinformation

Pressemitteilung von Do, 10. Juli 2014

Vom 10. Juli an wird erstmals ein eigens für hebräische Buchstaben programmierter Industrieroboter eine Tora schreiben. Die Kunst-Installation „bios [torah]“ (10. Juli 2014 bis 11. Januar 2015) im Jüdischen Museum Berlin bildet einen Kontrapunkt zum Toraschreiber in der Ausstellung „Die Erschaffung der Welt - Illustrierte Handschriften aus der Braginsky Collection“ (3. April bis 4. August 2014), eine Präsentation der weltweit größten Privatsammlung hebräischer Handschriften.

Kontakt

Pressestelle
T +49 (0)30 259 93 419
presse@jmberlin.de

Postadresse

Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Lindenstraße 9–14
10969 Berlin

Mit der Installation „bios [torah]“ der Künstlergruppe robotlab übernimmt der menschengroße Roboter die Funktion eines Sofers, eines Tora-Schreibers, dessen Aufgabe es ist, Tora-Rollen, Texteinlagen für Gebetskapseln (Tefillin) und Türpfostenkapseln (Mesusot) sowie andere religiöse Schriften zu kopieren. „Das Schreiben einer Tora ist ein sakraler Akt, der von besonders ausgebildeten Schreibern ausgeführt wird. Mit seiner Arbeit kreiert der Tora-Schreiber sozusagen die Welt noch einmal“, sagt Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin. Die Tora, was soviel wie Weisung oder Lehre bedeutet, umfasst die fünf Bücher Mose und beginnt mit dem zuerst zu schreibenden Satz: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“.

In drei Monaten 304.805 Buchstaben

Der Roboter greift diesen Kopiervorgang des Sofers auf. Der Schreibarm mit Kalligrafiefeder und Tinte arbeitet im menschlichen Schreibtempo täglich zehn Stunden und wird am Ende lautlos und elegant 304.805 hebräische Buchstaben von rechts nach links in der hebräischen Schreibweise zu Papier gebracht haben. Der Roboter braucht für die Vollendung auf der 80 Meter langen Papierrolle nur drei Monate; ein eigens dafür ausgebildeter Schreiber benötigt für diesen sakralen Akt in der Regel ein Jahr oder mehr. Bis Januar 2015 entstehen auf diese automatisierte Weise zwei Tora-Rollen, deren erste in die Sammlung des Jüdischen Museums Berlin aufgenommen wird.

Die vom Roboter geschriebene Tora kann jedoch nicht im Gottesdienst verwendet werden. Sie erfüllt nicht die Auflagen, die ein Tora-Schreiber zu befolgen hat und ist damit nicht koscher: Der Text muss auf von koscheren Tieren hergestelltem Pergament, mit Federkiel und mit spezieller Tinte geschrieben werden. Der Roboter schreibt ohne jegliche Intention, kennt keine Segenssprüche und bringt nicht die innere Hingabe mit, die einen Tora-Schreiber auszeichnet.

Im Rahmen der Ausstellung „Die Erschaffung der Welt - Illustrierte Handschriften aus der Braginsky Collection“ bildet die Installation „bios [torah]“ der Künstlergruppe robotlab einen modernen Kontrast zur traditionellen Tätigkeit des Tora-Schreibers, die Rabbiner Reuven Yaacobov seit dem 4. April sonntags bis donnerstags in der Ausstellung demonstriert.

Von „bios [bible]“ zu „bios [torah]“

Die Künstlergruppe robotlab thematisiert die Beziehung zwischen Mensch und Maschine: Mit Industrierobotern werden gezielt Situationen erzeugt, in denen die Maschine kulturelle Leistungen vollbringt, die sonst nur Menschen vorbehalten sind.

Der Titel der Installation weist auf eine elementare Komponente der Computertechnik, das Basic Input Output System (BIOS) hin. BIOS ist das System, auf dem alle Programme eines Computers aufbauen. Es ist für die Entwicklung der Maschine von ebenso fundamentaler Bedeutung wie die Schrift für die Kulturgeschichte des Menschen.

Bisher schrieb „bios [bible]“ die Lutherbibel in den drei Sprachen Deutsch, Spanisch und Portugiesisch, und kalligraphierte dabei in den Schriften „Alte Schwabacher“ (Deutsch) und „Rundgotisch“ (Spanisch, Portugiesisch). Die Installation wurde im Jahr 2007 erstmals im Karlsruher ZKM - Zentrum für Kunst und Medientechnologie ausgestellt. Zahlreiche Ausstellungen folgten, allein 2012 entstand vor dem Dom zu Trier die „Trierer Roboterbibel“, eine Luther-Bibel, wie sie der Roboter schon mehrfach geschrieben hat, ergab in gebundener Form sechs dicke Bände von insgesamt 57 Kilo Gewicht. Sie werden heute im Bistumsarchiv des Doms zu Trier aufbewahrt.

Künstlergruppe: robotlab / Matthias Gommel, Martina Haitz, Jan Zappe

Roboterinstallation: „bios [torah]“ (2007/14)

Mitarbeit hebräische Kalligrafie und Satz: Sahar Aharoni, Karlsruhe

Mit freundlicher Unterstützung von: ZKM Karlsruhe, KUKA Augsburg, LAMY Heidelberg, PAPIER UNION Karlsruhe, CORDIER Papier Bad Dürkheim, WINTOPO Biggleswade/UK

Teilen, Newsletter, Kontakt