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Das mobile Museum besucht die Jugendstrafanstalt Berlin - Presseinformation
Pressemitteilung von Mo, 13. Juni 2016
Ab heute besucht das Jüdische Museum Berlin mit seiner mobilen Ausstellung „on.tour“ die Schule der Jugendstrafanstalt (JSA) Berlin-Plötzensee. In den Unterrichts- und Werkstatträumen werden am 30. November, 2. und 4. Dezember vier didaktisch und fachlich geschulte Museumsvermittler mit Gruppen von zehn jugendlichen Häftlingen zusammenarbeiten. An drei Tagen nähern sie sich ausgesuchten Aspekten der jüdischen Geschichte und diskutieren Fragen zum Thema Identitäten und Diversität. Mit dem Besuch in der JSA endet die diesjährige bundesweite Tour, die seit 2007 mehr als 500 Schulen angesteuert hat.
„Der Besuch des Jüdischen Museums Berlin ist eine wichtige pädagogische Veranstaltung für die Inhaftierten der JSA Berlin. Die Insassen können auf diese Art und Weise Einblicke erhalten, die wir so lebensnah und authentisch nicht vermitteln könnten“, sagt Janina Deininger, Pressesprecherin der Jugendstrafanstalt, die mit 429 Haftplätzen eine der größten Haftanstalten in Deutschland für männliche Jugendliche und Heranwachsende ist. In der JSA Berlin sind auf einem 50.000 Quadratmeter großen Gelände im Bezirk Charlottenburg sowohl U-Häftlinge als auch Strafgefangene in Einzelhafträumen untergebracht. Bei der Jugendstrafe steht besonders der erzieherische Gedanke im Vordergrund. Dazu gehört auch die Ausbildung der Inhaftierten in den mehr als 20 Werkstätten der Anstalt. In der Schulabteilung können die jungen Männer den (erweiterten) Hauptschulabschluss nachholen oder Grundlagen schulischer Bildung erwerben.
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Bei den ersten JSA-Besuchen des Jüdischen Museums Berlin 2008/2009 habe das Projekt schon geholfen, Vorurteile gegenüber Juden abzubauen und Einblicke in jüdische Kultur und Religion zu geben, sagt Deininger. Auch dieses Jahr werden die Museumsvermittler mit den Häftlingen über Fragen diskutieren, die sie sich stellen: „Woran erkennt man einen Juden?“, „Welche Aufgabe hat der Rabbi?“ oder „Warum gibt es so viel Hass zwischen Palästina und Israel?“. Auf die Fragen wird während der Führung, im iPad-Workshop und in offenen Gesprächsrunden eingegangen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Judentum, Christentum und Islam werden angesprochen und mit den Lebenswelten der jungen Häftlinge in Verbindung gebracht.
Sarah Hiron, Leiterin der Outreach-Programme des Jüdischen Museums Berlin, ist vom Erfolg des Projektes in der JSA überzeugt: „Wir haben bei unseren Besuchen 2008, 2009, 2013 und 2014 sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir hoffen, dass wir wieder offen über Gerüchte und Vorurteile sprechen und diese in kontroversen Diskussionen abbauen können.“ Nach den vorangegangenen Besuchen konnte Kontakt zu einzelnen Insassen gehalten werden. Einige besuchten nach ihrer Entlassung oder im Rahmen von Vollzugslockerungen das Museum.
Die mobile Ausstellung
Die Museumspädagogen bringen fünf robuste und flexibel einsetzbare Ausstellungswürfel mit 16 Vitrinen, Objekten und verständlichen Texttafeln mit, die Einblick in die jüdische Geschichte und Lebenswelt geben. Anhand von Alltagsgegenständen und Zeremonialobjekten werden die Themen „Jüdischer Alltag“, „Leben und Überleben“, „Chancen und Diskriminierung“, „Feste feiern“ und neu in diesem Jahr „Anfang, Ende und dazwischen“ vorgestellt. Unter dem Thema „Lebenswege“ wird beispielsweise der osteuropäische Jude Julius Fromm vorgestellt, der mit „Fromms Act“ 1916 das erste Kondom ohne Naht auf den Markt brachte. Mit „Anfang, Ende und dazwischen“ werden die Schüler an Situationen aus dem Alltag jüdischen, muslimischen, christlichen und nichtreligiösen Lebens herangeführt.
Zwei iPad-Workshops begleiten die Ausstellung
In begleitenden iPad-Workshops beschäftigen sich die Schüler anhand von Biografien mit Fragen zu Identitäten und jüdischem Leben nach 1945. Im Workshop „So einfach war das“ stellte das Jüdische Museum Berlin bekannten und unbekannten, gläubigen und weniger gläubigen Juden verschiedener Generationen die Frage: „Wie war das eigentlich nach 1945 als Jude in Deutschland aufzuwachsen?“ Die Protagonisten erzählten zu einem Foto aus ihrer Kindheit oder Jugend eine für sie prägende Geschichte. So können die Schüler zum Beispiel die Kindheits- und Jugenderzählungen des Schriftstellers Wladimir Kaminer an iPads auswählen und anhören. Anschließend tauschen sie sich über die einzelnen Biografien aus und setzen ihre eigenen Erfahrungen in Bezug zu dem Gehörten.
Im Workshop „Meine Seite(n)“ stehen aktuelle Biografien von jüdischen Jugendlichen im Vordergrund. Die iPads geben mit interaktiven Tagebüchern einen Einblick in das Leben der Jugendlichen und zeigen die kulturelle Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland heute. In einer anschließenden Diskussion nähern sich die Schüler den Themen Identität und Interkulturalität, Herkunft, Glaube und Heimat.
Seit 2007 on tour: die Bildungsinitiative des Jüdischen Museums Berlin
„Jeder Schüler in Deutschland sollte mindestens einmal das Jüdische Museum Berlin besucht haben, bevor die Schule beendet ist“, sagt Gründungsdirektor W. Michael Blumenthal. Damit formulierte er das Ziel der mobilen Bildungsinitiative, diejenigen Schüler zu erreichen, die nicht ohne Weiteres nach Berlin reisen können. Seit 2007 besuchte das mobile Museum bundesweit mehr als 500 weiterführende Schulen sowie mehrfach die Jugendstrafanstalt Berlin. Für seine innovative pädagogische Pionierarbeit wurde „on.tour“ 2009 von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet. Bis Ende 2015 nahmen fast 70.000 Jugendliche daran teil. Die Bildungsinitiative wird mit freundlicher Unterstützung von Daimler Financial Services, der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Jüdisches Museum Berlin e.V. und dem Ehepaar Eric F. Ross und Lore Ross (sel. A.) finanziert.
Weitere Informationen zur Jugendstrafanstalt Berlin finden Sie im Internet unter: www.jugendstrafanstalt-berlin.de
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