Tal Alon und Olaf Kühnemann
Kurzinterview und Foto von der Ausstellungseröffnung Frédéric Brenner – ZERHEILT
Mein Name ist Olaf Kühnemann, ein Nachkomme der unendlichen, sich ständig verändernden Evolutionskette, ein leibhaftiger Mensch – Atheist, Vater von zwei Teenagern, Partner von Tal, Künstler.
Mein Name ist Tal Alon, Gründerin und Herausgeberin von SPITZ, einem hebräischen Magazin in Berlin, Referentin der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum, Fan von Gemüse, meinen Jungs, Yoga, Dokumentarfilmen, meinem Partner Olaf, Flohmärkten, einem guten Gespräch und einem langen Spaziergang (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge).
Wie kam es zur Idee der Inszenierung in Ihrem Portrait?
Olaf: Die Idee entstand durch Frédérics Interesse und seinen Willen, einige der Geschichten israelischen und jüdischen Lebens in Berlin fotografisch zu dokumentieren. Tal beobachtet und dokumentiert diesen Prozess und die sich verändernde Realität mit Worten, durch Community-Journalismus. Ihre beiden Reisen verbanden sich und wurden zu einem Foto, das etwas von unserem Leben in der Nachbarschaft und von unserer Beziehung zeigt.
Tal: Es war ein langer Prozess, den wir mit Frédéric und miteinander durchlaufen haben. Das Foto ist am Landwehrkanal in Kreuzberg aufgenommen, wo wir nun schon seit über zehn Jahren wohnen. Wir machen dort unsere Abendspaziergänge und fühlen uns sehr damit verbunden. Olafs Gemälde im Hintergrund zeigt das Wohnzimmer seiner Kindheit in Herzeliya, Israel. Zu sehen sind außerdem Fahrräder, die zu Olafs Ding gehören, „tote“ Fahrräder von Kreuzbergs Straßen aufzulesen und sie mit Teilen anderer toter Fahrräder wieder zum Leben zu erwecken. Die Bierflasche gehört auch zum Setting. Das Setting entspricht unserer vielschichtigen Wahrnehmung von „Heimat“, die letztlich darauf hinausläuft, dass wir füreinander Heimat sind.
Wie erleben Sie jüdisches Leben in Berlin?
Olaf: Diese Frage ist für mich sehr schwer zu beantworten. Religion ist eine von Menschen erfundene und erzählte Geschichte. Verschiedene Gruppen von Menschen auf der ganzen Welt haben sich ihre eigenen Identitätsgeschichten ausgedacht und beharren auf ihnen. Jüdisches Leben in Berlin ist eine weitere Variante der Geschichte des Judentums. Das Zusammentreffen der jüdisch-deutschen Geschichte in Berlin ist eine sehr aufgeladene und schwierige Geschichte, die sich aufdrängt, wann immer sie diskutiert wird.
In gewisser Weise bin ich unweigerlich in den Träumen bereits toter Menschen gefangen, eine Geschichte vor einer anderen zu verwirklichen. Ich „erlebe“ jüdisches Leben in Berlin durch meine persönliche Erziehung, meine Eltern, meine physische Umgebung, meine schulische und kulturelle Indoktrination, die ich nicht frei gewählt habe. Die emotionalen, körperlichen und ideologischen Begegnungen als Mensch innerhalb dieser Geschichten sind immer offen, verändern sich und werden ständig in mir selbst und mit anderen Mitgliedern dieser Identitätsgruppe verhandelt.
Tal: Um diese Frage richtig zu beantworten, müsste ich einen ganzen Artikel schreiben ... Also konzentriere ich mich auf meine Lieblingserfahrung mit jüdischem Leben in Berlin, nämlich Einheimische (also nicht Touristen) auf Kreuzbergs Straßen Hebräisch sprechen zu hören.
Beschreiben Sie Ihr Leben in Berlin in drei Adjektiven.
Das „Leben an einem Ort“ mit drei Adjektiven zu beschreiben, ist ein frustrierendes Spiel...
Olaf: spannend, konfliktreich, bedeutungsvoll
Tal: abenteuerlich, ausgeglichen, erfüllend
Was würden Sie sich für das zukünftige jüdische Leben in Berlin wünschen?
Olaf: Die Vergangenheit liegt in der Vergangenheit, die Zukunft ist unbekannt. Ich wünsche so vielen Menschen wie möglich, dass sie in ihrem gegenwärtigen Leben und in ihren Beziehungen Gleichgewicht und Frieden finden können. Anzunehmen, was in der Gegenwart wahr und wirklich ist, kann sich positiv darauf auswirken, wie wir „die Zukunft“ gestalten.
Tal: Vielleicht nicht diese Frage gestellt zu bekommen? ;-)
Zitierempfehlung:
Jüdisches Museum Berlin (2021), Tal Alon und Olaf Kühnemann. Kurzinterview und Foto von der Ausstellungseröffnung Frédéric Brenner – ZERHEILT.
URL: www.jmberlin.de/node/8403