Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Montag,
6. März 1933

Eintrag im Gästebuch der Familie Steinhardt

Der expressionistische Maler und Grafiker Jakob Steinhardt (1887–1968) zählt zu den bedeutendsten deutsch-jüdischen Künstlern des 20. Jahrhunderts. Er war vor allem für seine Holzschnitte zu biblischen und jüdischen Themen bekannt und eine wichtige Figur im Berliner Kulturleben. Davon zeugt auch das Gästebuch der Familie, in dem sich Einträge und Zeichnungen von vielen Künstlern und Literaten finden, wie zum Beispiel Conrad Felixmüller, Paul Dessau oder Eugen Spiro.

Nachdem Jakob Steinhardt massiven Drohungen durch die SA ausgesetzt war, verließ er mit seiner Familie am 7. März Hals über Kopf Berlin und emigrierte nach Palästina. Im Gepäck hatte er auch das Gästebuch, dessen letzten Eintrag vor der Flucht wir hier sehen.

»Zur Erinnerung an Berlin März 1933« steht neben der Bleistiftzeichnung eines bislang nicht identifizierten Schöpfers. Die Darstellung zeigt die übereinandergelegten Kopfumrisse von Otto von Bismarck, Paul von Hindenburg und Adolf Hitler. Im Zentrum der Zeichnung ist ein Hakenkreuz zu erkennen.

Der Zeichner spielt wohl auf die von den Nationalsozialisten, insbesondere im Vorfeld der Wahlen vom 5. März, behauptete Traditionslinie an, die Hitler in eine Reihe mit den Größen der preußischen Geschichte stellte. Beim sogenannten »Tag von Potsdam« zweieinhalb Wochen später wurde diese Tradition mit großer Geste öffentlich inszeniert, als Hitler sich vor Reichspräsident Hindenburg demonstrativ verbeugte. Für den Juden Jakob Steinhardt dagegen war sie unheilvolles Symbol für die unmittelbare Bedrohung, in der er und seine Familie sich befanden.

Lea Weik

Kategorie(n): Auswanderung | Berlin | Künstler und Schriftsteller
Zeichnung im Gästebuch der Familie Steinhardt, unbekannter Zeichner, Berlin, Anfang März 1933
Schenkung von Josefa Bar-On Steinhardt, Nahariya, Israel
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