Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Freitag,
24. März 1933

Rundbrief der Vereinigung traditionell-gesetzestreuer Rabbiner Deutschlands zum rituellen Schlachten

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sahen sich die Juden in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern mit Bestrebungen konfrontiert, die Schlachtung nach dem jüdischen Religionsgesetz – das Schächten – zu verbieten. Dieses sieht u.a. vor, dass Tiere ohne Betäubung geschlachtet werden müssen. In Deutschland kämpften jüdische Vertreter aller Richtungen, von liberal bis orthodox, mit Erfolg für das koschere Schlachten als ein durch die Religionsfreiheit geschütztes und von der Verfassung garantiertes Recht.

In den 1920er Jahren wurde die NSDAP, unter dem Deckmantel des Tierschutzes, zu einer treibenden Kraft gegen das rituelle Schächten. Ihr Einfluss in Bayern führte 1930 zu einem ersten staatlichen Verbot. Nachdem die Nationalsozialisten auch im Reich die Macht übernommen hatten, war ein allgemeines Gesetz gegen das Schlachten nach jüdischem Ritus nur eine Frage der Zeit.

In dieser Situation schickte die Vereinigung traditionell-gesetzestreuer Rabbiner Deutschlands am 24. März einen Rundbrief an alle Rabbiner des Landes. Darin versicherte Joseph Carlebach (1882–1942), Schriftführer der Vereinigung und Oberrabbiner von Altona, dass »zur Vertretung und Verteidigung unserer religiösen Notwendigkeiten mit der größten Energie gearbeitet wird«. Doch er deutete auch schon an, dass es nur wenig Handlungsspielraum gab, denn die Betäubung von Schlachttieren, etwa durch elektrischen Strom, blieb mit dem jüdischen Gesetz unvereinbar.

Trotz ihrer Bemühungen wusste die Vereinigung mit Sicherheit, dass es aussichtslos war, das Verbot zu verhindern. Bereits zwei Tage zuvor hatte Sachsen das Schächten gesetzlich untersagt, am 6. April folgten Baden und weitere Länder. Zwei Wochen später, am 21. April, erließ die Reichsregierung ein Gesetz, welches das rituelle Schlachten im ganzen Land verbot. Es trat am 1. Mai in Kraft und bedeutete für die jüdischen Gemeinden einen erheblichen Eingriff in ihre religiöse Praxis.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Religiöses Leben
Rundbrief der Vereinigung traditionell-gesetzestreuer Rabbiner Deutschlands zum rituellen Schlachten, Altona, 24. März 1933
Leo Baeck Institute, Emil Schorsch Collection, AR 25103
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