Freitag,
5. Mai 1933
Entlassung Heinrich Zieglers aus dem Dienst in der Mütterberatungsstelle
Zu Beginn der NS-Diktatur sind mehr als 10 % aller Mediziner in Deutschland jüdischer Herkunft. Sie aus ihren Berufen zu drängen, setzen sich die Nationalsozialisten gleich nach ihrer Machtübernahme zum Ziel. Die Berufsorganisationen werden gleichgeschaltet und jüdische Funktionäre und Mitglieder aus den Verbänden hinausgeworfen. Als am 7. April 1933 das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« in Kraft tritt, verlieren die jüdischen Ärzte ihre Positionen im Gesundheitswesen. Nur wenig später werden ihnen die kassenärztlichen Zulassungen entzogen, so dass sie nur noch Privatpatienten behandeln können.
Dies betrifft auch Heinrich Ziegler. In dem vorliegenden Schreiben des Bezirksfürsorgeverbands für den Kreis Osthavelland wird ihm mitgeteilt, dass seine Mitarbeit als Arzt in der Mütterberatungsstelle »mit sofortiger Wirkung« beendet sei, und begründet dies mit seiner »nichtarischen Abstammung«. Zudem fordert man ihn auf, den bereits ausgezahlten Lohn für den April wegen »Nichtwahrnehmung des ärztlichen Dienstes« zurückzuzahlen. Vermutlich war er schon im Monat zuvor darauf hingewiesen worden, dass seine Mitarbeit nicht mehr erwünscht sei.
Weil er Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg war, ist es Heinrich Ziegler in den darauffolgenden Jahren zunächst erlaubt, seinen Beruf in der eigenen Praxis weiter auszuüben. Als im Jahr 1938 fast allen jüdischen Ärzten die Approbationen entzogen werden, wandert er mit seiner Familie nach Britisch-Indien aus. Ein bereits emigrierter Onkel seiner Frau hilft mit den Einreisegenehmigungen.
Heinrich Ziegler ist weiter als Arzt tätig und führt in Karatschi wieder eine eigene Praxis. Nach der Gründung Pakistans wird er pakistanischer Staatsbürger. Doch 1960, nach über 20 Jahren im Exil, entscheidet er sich, nach Deutschland zurückzukehren. Er stirbt 1971 in München.
Franziska Bogdanov