Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Dienstag,
17. Oktober 1933

Brief von Harry und Margarethe Heller aus Edinburgh an Adolf und Fanny Brauer in Berlin

Als Harry (1899–1967) und Margarethe Heller (1892–1982) diesen Brief an Margarethes Eltern in Berlin schreiben, lebt das Ehepaar bereits seit mehr als einem halben Jahr in Schottland. Sie sind aus Berlin emigriert, weil Harry Heller als Jude seine Anstellung als Oberarzt im Krankenhaus am Friedrichshain verloren hatte.

In Schottland werden seine Qualifikationen allerdings nicht ohne weiteres anerkannt. Wie er seinen Schwiegereltern berichtet, muss er zunächst mehrere Prüfungen in verschiedenen medizinischen Fächern ablegen, um als Arzt an der Universitätsklinik in Edinburgh arbeiten zu dürfen. Er ist frustriert und hat das Gefühl, dass »das, was man an Routine und Erfahrung hat, langsam aus den Fingern schwindet«.

In ihrem Brief wechseln die Hellers zwischen Alltäglichem – etwa wenn sie den Eltern Lektüreempfehlungen geben – und Passagen, in denen sich die Situation der Emigranten widerspiegelt. Besonders bemerkenswert ist die Stelle, in der Harry Heller auf das aktuelle politische Geschehen eingeht – offenbar verfolgt er genau, was in Deutschland passiert. Für den Austritt des Deutschen Reichs aus dem Völkerbund am 14. Oktober äußert er Verständnis: »Jetzt können sie [Deutschlands Gegner] ja sehen, wohin sie mit ihrem Völkerbund kommen. Sie faseln hier viel von moralischer Isolierung. In Wirklichkeit sind sie die moralisch Isolierten.« Obwohl er und seine Familie Opfer des antisemitischen NS-Regimes sind, scheint seine Verbundenheit mit seinem Heimatland noch weitgehend ungebrochen.

Margarethe Heller beendet den Brief mit kurzen Grüßen an ihre Eltern und erwähnt, dass sie im Rundfunk die Übertragung des Reichstagsbrandprozesses verfolgt haben, der am 21. September in Berlin begonnen hatte. Der niederländische Kommunist Marinus van der Lubbe und seine angeblichen Hintermänner wurden beschuldigt, für den Brand des Reichstags am 28. Februar 1933 verantwortlich zu sein.

1934 verließ das Ehepaar Heller Großbritannien und emigrierte in das britische Mandatsgebiet Palästina, wo Margarethe bereits in den 1920er Jahren einige Zeit gelebt hatte. Harry Heller machte eine Karriere als Arzt und Wissenschaftler. Nach seinem Tod zog Margarethe Heller 1967 zu ihren beiden Söhnen nach Kalifornien.

Margarethes Vater, Adolf Brauer, starb bereits im Dezember 1933. Ihre Mutter Fanny konnte 1938 ihren Kindern nach Palästina folgen.

Lea Weik

Kategorie(n): Ärzte | Auswanderung | Berlin | Berufsverbot
Brief von Harry und Margarethe Heller an Adolf und Fanny Brauer (Abschrift), Edinburgh, 17. Oktober 1933
Schenkung von Eri Heller
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