Donnerstag,
26. Oktober 1933
Das Tagesheim der Jüdischen Kinderhilfe in der Berliner Auguststraße
»Ein Hilfswerk, das der jüdischen Jugend, der jüdischen Zukunft gewidmet ist« – so bezeichnet ein am 26. Oktober 1933 veröffentlichter Artikel in der »CV-Zeitung« die Jüdische Kinderhilfe in der Berliner Auguststraße 14/15. Illustriert wird der Bericht mit einer Collage aus Bildern des Fotografen Herbert Sonnenfeld, die Kinder mit ihren Betreuerinnen zeigt.
Die Jüdische Kinderhilfe bestand bereits seit dem Jahr 1920 und hatte sich ursprünglich vor allem um Kinder aus den »Elendsquartieren des Berliner Nordens« gekümmert. Aber durch die Folgen der nationalsozialistischen Gesetzgebung sind es, wie es in dem Artikel heißt, nun »andere Kreise, die den Weg hierher finden, die ihn gehen müssen, weil die Not sie zwingt.« Die Zwänge der Zeit wirken jedoch nicht nur auf die Eltern und deren Kinder, die hier betreut werden, sondern auch auf das Personal des Hauses. So sind unter den engagierten Pflegerinnen »junge Mädchen, die ihr medizinisches, ihr juristisches Studium unterbrechen mussten, [und] die sich jetzt mit fröhlichem Eifer diesem großem Hilfswerk widmen und darin ihren Lebensunterhalt finden.«
Das Haus, in dem sich die Jüdische Kinderhilfe befand, wurde 1861 als jüdisches Krankenhaus gebaut und bis 1914 als solches genutzt. Nach dem Ersten Weltkrieg zogen hier mehrere soziale Einrichtungen der jüdischen Gemeinde ein. Im Jahr 1933 waren hier außer der Kinderhilfe auch das Kinderheim Ahawah, der Kindergarten der orthodoxen Vereinigung »Agudas Jisroel«, eine Hauswirtschaftschule sowie ein Studentinnenheim untergebracht. Neben dem 1923 gegründeten Tagesheim unterhielt die Kinderhilfe eine Kinderpoliklinik mit fünf Abteilungen, Erziehungs- und Säuglingsberatungsstellen und eine Abteilung für die Erholungsfürsorge und bot darüber hinaus Mütterschulkurse an. Laut »CV-Zeitung« wurden hier innerhalb eines Jahres mehr als 20.000 Behandlungen und Beratungen durchgeführt. Das Haus gehörte damit zu den wichtigsten Einrichtungen jüdischer Selbsthilfe.
1936 zog die Kinderhilfe mit all ihren Einrichtungen in die Blumenstraße unweit vom Alexanderplatz; 1943 wurde sie aufgelöst.
Aubrey Pomerance