Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

< 11. DEZEMBER 1933
17. DEZEMBER 1933 >

Freitag,
15. Dezember 1933

Brief von Adam Simonson an Aron Zisling

War es Zufall oder doch glückliche Fügung, dass sich am 30. Januar 1933 die Jüdische Jugendhilfe e.V. in Berlin gründete, eine Organisation, die tausenden Kindern und Jugendlichen das Leben retten sollte? Für die Initiatorin Recha Freier war es vielmehr die logische Konsequenz aus ihrem jahrelangen – zionistisch inspirierten – Engagement für die Auswanderung nach Palästina.

Die Rückkehr ins Gelobte Land – »auf Alija« zu gehen – hieß bis dahin in der Praxis: Erst die Ausbildung, dann die Auswanderung. Oft mussten die Betroffenen lange auf ihre Arbeiterzertifikate der britischen Mandatsregierung warten, die eine Einreise streng reglementierte. Die neue Idee der Jüdischen Jugendhilfe war es, die berufliche Ausbildung der jugendlichen Emigranten von Deutschland nach Palästina in die Siedlungen zu verlagern. Begünstigt wurde diese Vorgehensweise der »Jugendalija« durch die Tatsache, dass die Einreisezertifikate für Schüler zwischen 14–17 Jahren einfacher zu beschaffen waren.

Für die erste Gruppe der Jugendhilfe waren bereits im Mai 1933 detaillierte Unterbringungs- und Ausbildungsverträge mit dem Kibbuz Ein Charod südlich von Nazareth geschlossen worden, doch die Abreise verzögerte sich. Um die Hürden zu überwinden, führte der erste Sekretär des Vereins, Dr. Adam Simonson, eine rege Korrespondenz, u.a. mit dem Leiter des Kibbuz Aron Zisling. In seinem Brief vom 15. Dezember berichtete Simonson vom Stand der Dinge. Den Organisatoren lief die Zeit davon – einige Gruppenmitglieder standen kurz vor ihrem 18. Geburtstag und die bereits besorgten Schülerzertifikate hätten für sie keine Gültigkeit mehr gehabt. Sie waren in Gefahr zurückbleiben zu müssen. Es galt zudem nicht nur die Mädchen und Jungen als Gruppe vorzubereiten, sondern auch geeignete Gruppenleiter zu finden, die sie nach Palästina begleiten würden. Dies alles gestaltete sich schwierig.

Die Jugendlichen verließen Europa schließlich im Februar 1934, auch wenn die geplante Zahl von über 60 Auswanderern auf 43 Teilnehmer zusammengeschmolzen war. Diese geglückte Unternehmung überzeugte letztlich auch die Kritiker und bildete den Auftakt für die Rettung etwa 21.000 junger Juden aus Deutschland durch die Jüdische Jugendhilfe.

Ulrike Neuwirth

Kategorie(n): Auswanderung | Berlin | Kindheit | Studenten | Vereine | Zionismus
Brief von Adam Simonson an Aron Zisling (Kopie auf Durchschlagpapier), Berlin, 15. Dezember 1933
Schenkung von Miriam Berson

Adam Simonson

Der in Berlin geborene Adam Simonson (1908–1983) wuchs mit zionistischen Idealen auf – bereits sein Vater Emil Simonson gehörte zu den Unterstützern Theodor Herzls und engagierten Verfechtern eines Nationaljudentums. Zusammen mit sechs anderen Aktivisten gründete Adam Simonson am 30. Januar 1933 die Jüdische Jugendhilfe. Im gleichen Jahr beendete er sein Studium der Rechtswissenschaften an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität mit der Promotion.

In der Jugendhilfe war es seine Hauptaufgabe, eine Organisationsstruktur zu schaffen und die Jugendgruppen zu koordinieren. Zudem verfasste er Artikel in der jüdischen Presse über den Verein und dessen Ziele. Der Grundgedanke der Jugendalija lag für ihn gleichermaßen in der fachlichen wie kulturellen Ausbildung der jungen Leute in den Siedlungen. So begriff er die berufliche Bildung nur als Teil eines Ganzen. Dazu gehörten die Sprache, die Geografie und die Geschichte des Landes, um es wirklich zu einer Heimat und die Pioniere zu Bürgern werden zu lassen.

Adam Simonson blieb nach der erfolgreichen Überfahrt der ersten Gruppe von Jugendlichen nicht mehr lange in Deutschland. Im Juni 1934 emigrierte er mit seiner Frau nach Palästina und ließ sich nach einigen Zwischenstationen in Tel Aviv nieder, wo er weiterhin für die Jugendalija tätig war. Später orientierte er sich beruflich um und wurde Sprachlehrer, Übersetzer und Schriftsteller.

Die erste Gruppe der jugendlichen Auswanderer vor ihrer Abfahrt im Hafen von Triest, 19. März 1934. Kurz danach brachte sie der Dampfer »Martha Washington« nach Palästina. Dessen Kapitän sitzt in der vorderen Reihe in der Mitte, neben ihm, mit weißem Kragen, Chanoch Reinhold (1911–1995), der die Gruppe leitete.
Schenkung von Miriam Berson 
IMPRESSUM