Donnerstag,
23. November 1933
Entlassungsschein aus dem Konzentrationslager Lichtenburg von Hans Wilk
»Dem Schutzhäftling Hans Wilk wird hiermit bescheinigt, dass er heute aus dem Konzentrationslager Lichtenburg entlassen worden ist.« So lautet die knappe Formulierung, mit der am 23. November 1933 für den Einzelhandelskaufmann Hans Wilk (1909–1970) die Lagerhaft nach über vier Monaten endet. »Die Lichtenburg« war ein heruntergekommenes ehemaliges kurfürstliches Schloss aus dem 16. Jahrhundert in der einstigen Residenzstadt Prettin in Sachsen, welches schon seit über hundert Jahren als Zuchthaus genutzt wurde. Im Juni 1933 wurde die Anlage zu einem der ersten Konzentrationslager des Deutschen Reiches umfunktioniert.
Hans Wilk wird wie alle Insassen der frühen Lager als »Schutzhäftling« bezeichnet. Dieser Euphemismus der Nationalsozialisten wurde seit der sogenannten Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 verwendet und bedeutete nichts anderes, als dass eine Person willkürlich und ohne Rechtsbeistand verhaftet und interniert werden konnte. Wahrscheinlich wurde Hans Wilk aus einem der sogenannten Emslandlager – dem KZ Esterwegen, Börgermoor oder Neusustrum – in die Lichtenburg verlegt. Dass Häftlinge von Lager zu Lager verbracht wurden, war im Herbst 1933 nichts Ungewöhnliches.
Der Grund für die Entlassung von Hans Wilk bleibt unbekannt. In den darauffolgenden Jahren lebte er bei seiner Mutter in Potsdam und arbeitete zeitweise in einer Großreinigung. Die weitere Verfolgung blieb ihm jedoch nicht erspart.
Michaela Roßberg