Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Freitag,
24. November 1933

Brief von Julius Bab an Georg Hermann über die Schaffung einer Jüdischen Buchgemeinschaft

Knapp zwei Monate waren vergangen, seit der Kulturbund Deutscher Juden mit »Nathan der Weise« seine erste Theaterproduktion am Berliner Theater in der Charlottenstraße aufgeführt hatte. Eine Reihe weiterer Veranstaltungen folgte: eine zweite Theateraufführung, mehrere Konzerte und zahlreiche Vorträge. Nun plante der Mitbegründer, Vorstand und dramaturgische Leiter des Kulturbunds, Julius Bab (1880–1955), die Schaffung einer jüdischen Buchgemeinschaft. In seinem Brief an den im niederländischen Exil lebenden Schriftsteller Georg Hermann (1871–1943) kündigt er sein Vorhaben an, »nicht direkt als Gründung des Kulturbundes, aber unter seiner lebhaften Mitwirkung und nach seinem Beispiel als Unternehmen aller grossen jüdischen Organisationen«.

Bab hatte Hermann einige Monate zuvor als Mitglied des Ehrenpräsidiums des Kulturbunds rekrutiert und will ihn jetzt auch für die Buchgemeinschaft gewinnen. Er hält einen Roman von Georg Hermann »für den denkbar besten Anfang«. Zwar erwartet er gegenteilige Meinungen, glaubt diese aber überwinden zu können. Einzelheiten des Vertriebs und andere grundsätzliche Fragen könne man besprechen, wenn er das Manuskript von Hermann erhalten habe.

Bald nach Absenden des Briefs wurde im zweiten Dezemberheft der Monatsblätter des Kulturbunds die Gründung der »Buchgesellschaft der Deutschen Juden« bekanntgegeben. Hier waren auch die Konditionen einer Mitgliedschaft genannt: Für eine Mark im Monat sollten die Mitglieder vier Werke pro Jahr erhalten, zusammen mit einer Bücherliste von Titeln, »die wegen ihres speziellen jüdischen Interesses heute im öffentlichen Buchhandel nicht mehr angezeigt werden«.

Die Tätigkeit des nunmehr als »Jüdische Buch-Vereinigung« bezeichneten Unternehmens – das von zahlreichen jüdischen Verlagen und Buchhändlern als unliebsame Konkurrenz betrachtet wurde – begann offiziell im Februar 1934. Geschäftsführer waren der Verleger Erich Lichtenstein (1888–1967) und Erwin Loewe (1895–1974), der zuvor die in Babs Brief erwähnte private jüdische Buchvereinigung ins Leben gerufen hatte. Im Monat darauf erschien als erste Publikation tatsächlich ein Werk von Georg Hermann: »Eine Zeit stirbt«. Der Roman war das letzte einer Reihe von fünf Büchern, in denen Hermann die sich ändernde Lebenswelt einer assimilierten jüdischen Familie vom Kaiserreich bis in die Mitte der 1920er Jahre schilderte.

Bereits im Jahr 1935 verzeichnete die Jüdische Buch-Vereinigung 9.000 Mitglieder. Bis zu ihrer erzwungenen Auflösung im August 1938 veröffentlichte sie insgesamt 19 Werke, neben weiteren Romanen u.a. eine neue deutsche Übersetzung der Tora, eine Geschichte der Juden in Deutschland und einen Bildband über Palästina. Unter den Autoren waren neben Georg Hermann drei weitere Mitglieder des Ehrenpräsidiums des Kulturbunds: Ismar Elbogen, Arthur Eloesser und Jakob Wassermann.

Aubrey Pomerance

Kategorie(n): Berlin | Künstler und Schriftsteller | Vereine
Brief von Julius Bab an Georg Hermann in Laren (Nord-Holland), Berlin, 24. November 1933
Leo Baeck Institute, Georg Hermann Collection, AR 7074

Julius Bab

Die Vorstellungen vom Sinn und Zweck des Kulturbundes waren unter den Beteiligten durchaus nicht einheitlich. Julius Bab wollte nicht, dass der Bund nur eine ausdrücklich jüdische Kultur förderte, wohingegen genau dies das Ziel der Machthaber, aber auch vieler Beteiligter auf jüdischer Seite war. Diese Differenzen führten dazu, dass Bab 1934 aus dem Vorstand des Kulturbunds zurücktrat. Er blieb ihm aber als Dramaturg, Leiter der Abteilung Vortrag sowie Redakteur des Monatsblatts eng verbunden.

Erst nach den Novemberpogromen entschloss sich Bab Berlin zu verlassen. Im Februar 1939 floh er mit seiner Frau nach Paris, wo er seine Betrachtung der deutsch-jüdischen Geschichte unter dem Titel »Leben und Tod des deutschen Judentums« niederzuschreiben begann. Das Ehepaar bemühte sich – u.a. mit Unterstützung von Thomas Mann – um eine Auswanderung in die USA, wo bereits seine drei Kinder lebten.

Nach Ausbruch des Krieges wurde Julius Bab kurzzeitig von den Franzosen in einem Pariser Vorort interniert. Im Mai 1940 kam es zu einer erneuten Internierung in einem Lager bei Bordeaux. Nach dessen Auflösung kehrte Bab zu seiner Frau in das nunmehr von den Deutschen besetzte Paris zurück. Es folgten bange Monate und erst im November 1940 konnten die Babs die französische Hauptstadt Richtung Lissabon verlassen, von wo aus sie im späten Dezember nach New York entkamen. Hier versuchte Julius Bab sich mit Artikeln für die deutsch-jüdische Exilzeitung »Aufbau« sowie mit Vorträgen über Wasser zu halten, sah sich aber bald gezwungen, seine Bibliothek sowie die wenigen in seinem Besitz befindlichen Kunstgegenstände zu verkaufen. Ab 1942 war er als Kritiker für die deutschsprachige New Yorker Staatszeitung tätig.

1951 reiste Bab erstmals nach Deutschland zurück und hielt mehrere Vorträge. Ein zweiter Aufenthalt folgte zwei Jahre später. Im Februar 1955, zwei Monate nach seinem 74. Geburtstag, starb er in seinem Wohnort auf Long Island.

Julius Bab, Porträtfotografie von Roman Vishniac, Berlin, um 1932
Schenkung von Mara Vishniac Kohn 
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