23. März bis 15. Juli 2012 Jüdische Migranten aus Osteuropa in den 1920er Jahren
ORT
- Bleibtreustraße im Jahr 2012 © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Gelia Eisert
Unweit des S-Bahnhofes Savignyplatz in der Bleibtreustraße 34-35 war in den 1920er Jahren eine der wichtigsten jüdischen Hilfsorganisationen untergebracht: die »Gesellschaft zur Verbreitung des Handwerks und der Landwirtschaft unter den Juden« (ORT). Gegründet 1880 in St. Petersburg, war ihr Ziel die berufliche Förderung der unterdrückten und in großer Armut lebenden jüdischen Bevölkerung im Russischen Reich.
Heute ist »World ORT« in mehr als 100 Ländern vertreten und hat ihren Hauptsitz in London. Sie ist die größte weltweit agierende jüdische NGO für Bildung und berufliche Ausbildung.
Statement des Wissenschaftlers Alexander Ivanov
»Bleibtreustraße 34/35 – zwischen 1921 und 1926 befand sich hier der Sitz des ORT-Verbandes, einer internationalen Wohltätigkeitsorganisation zur Förderung des Handwerks und der Landwirtschaft unter den Juden. Es hat mich wirklich ergriffen, als ich erstmals vor diesem Haus stand. In Berlin findet man noch an einigen Orten Spuren der Geschichte des ORT: in der Staatsbibliothek in jiddischen und russischen Zeitschriften, im Jüdischen Museum, im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes.«
Alexander Ivanov ist Gastwissenschaftler aus St. Petersburg im Projekt »Charlottengrad und Scheunenviertel« an der FU Berlin
ORT wurde von russisch-jüdischen Aufklärern in St. Petersburg ins Leben gerufen. Die Organisation bot der verarmten jüdischen Bevölkerung die Möglichkeit, ein Handwerk zu lernen und finanzielle Starthilfe zum Aufbau einer eigenen landwirtschaftlichen Existenz zu erhalten.
Durch die Oktoberrevolution von 1917 verlor ORT seine Bankeinlagen sowie fast alle Privatspenden. Auch in ihrer praktischen Arbeit wurde ORT von den politischen Machthabern stark eingeschränkt. 1921 verlegte ORT seinen Hauptsitz schließlich nach Berlin. Im selben Jahr wurde in Berlin der ORT-Weltverband gegründet, dem zunächst Komitees aus Polen, Litauen, Lettland, Bessarabien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA angehörten.
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