23. März bis 15. Juli 2012 Jüdische Migranten aus Osteuropa in den 1920er Jahren
Slowo-Verlag
- Das Ullstein-Haus in der Kochstraße 23-24 im Bezirk Kreuzberg (Aufnahme von 1930) © BPK
Gegenüber vom heutigen Jüdischen Museum Berlin beginnt die Markgrafenstraße, die in den 1920er Jahren der erste Sitz des russischsprachigen Slowo-Verlags war.
Rund neunzig russische Verlage gab es in den 1920er Jahren in Berlin, der größte war mit rund 150 nachgewiesenen Publikationen Slowo (deutsch: Das Wort).
Gegründet hatte Slowo 1920 der Unternehmer und Journalist Joseph Gessen. Der Sitz des Verlags verlagerte sich im Lauf seines Bestehens von der Markgrafenstraße 87 zum Ullstein-Haus in der Kochstraße 23/24, wo ebenfalls die Zeitung Rul (deutsch: Steuerruder) herausgegeben wurde.
Viele jüdische Literaten und Buchgestalter aus Osteuropa verließen die Stadt, nachdem die Vorteile entfielen, die der Verlagsstandort Berlin inflationsbedingt für die Migrantenverlage gehabt hatte. Slowo war verlegerisch ab 1924 kaum noch tätig und löste sich 1935 endgültig auf.
- Markgrafen-/Ecke Lindenstraße © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Gelia Eisert
- Setzerei für die russischen Emigranten - Zeitschrift »Rul« beim Ullstein-Verlag. Innenansicht von 1924 © ullstein bild - John Graudenz
Der Verlag »Slowo« und die Emigrantenzeitschrift »Rul« standen unter der kaufmännischen Verantwortung des Ullstein-Verlags, der mit dem Buchverlag und der Zeitung den sowjetischen Markt erobern wollte.
Zu den Slowo-Publikationen gehörten Schriften von Alexander Puschkin, Leo Tolstoi und Anton Tschechow. Auch die erste russischsprachige Ausgabe der Relativitätstheorie von Albert Einstein wurde von Slowo veröffentlicht.
Einen besonderen Stellenwert unter den Autoren hatte Vladimir Nabokov – seine ersten Prosawerke ab Mitte der 1920er Jahre erschienen bei Slowo. Der Verlag wurde zum großen Unterstützer des später zu Weltruhm gekommenen Schriftstellers.
Emigrantenverlage in Berlin
Anfang der 1920er Jahre gab es in Berlin viele Verlage, die in russischer Sprache publizierten. An rund 90 dieser Verlage waren jüdische Migranten beteiligte. Auf Jiddisch veröffentlichten mehr als 50 Verlage, aber nur wenige – wie der Klal-Verlag – brachten Bücher auf Hebräisch heraus. All diese Verlage exportierten ihre Druckerzeugnisse vorwiegend ins osteuropäische Ausland.
Günstige wirtschaftliche Bedingungen machten die Blütezeit der Verlage in den 1920er Jahre möglich: Bedingt durch die Inflation konnte, wer über ausländische Währung verfügte, für wenig Geld hochwertige Bücher produzieren.
Mit Ende der Inflation Mitte der 1920er Jahre waren die Vorteile Berlins als Verlagsstandort entfallen. Die meisten Emigrantenverlage mussten deshalb ihre Buchproduktion nach wenigen Jahren einstellen oder ihren Standort in andere Länder verlegen.
English