23. März bis 15. Juli 2012 Jüdische Migranten aus Osteuropa in den 1920er Jahren
Synagoge und jüdisches Museum
- Synagoge in der Oranienburger Straße im März 2012 © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Gelia Eisert
Die heute von vielen Berlintouristen besuchte Synagoge in der Oranienburger Straße wurde am jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana im September 1866 geweiht. Sie wurde von dem Berliner Architekten Eduard Knobloch im maurischen Stil entworfen. In der internationalen Berichterstattung wurde sie damals als eine der schönsten Synagogen der Welt gefeiert.
Mit 3.200 Sitzplätzen war sie die größte Synagoge Deutschlands. Die Gemeinde war reformorientiert, weshalb 1868 eine Orgel eingebaut wurde. Die mehr als 50 Meter hohe vergoldete Kuppel stand für eine starke jüdische Präsenz in Berlin.
Nach dem in Preußen geltenden Gesetz über die Verhältnisse der Juden gehörten alle ausländischen Juden durch Zuzug automatisch der Berliner Einheitsgemeinde an. Zwischen den deutschen und osteuropäischen Juden bestanden jedoch tiefgehende soziale, kulturelle und religiöse Unterschiede. Die mehrheitlich bürgerlich geprägten, liberalen deutschen Juden verstanden ihr Judentum als Religion, während sich die überwiegend mittellosen und traditionell lebenden osteuropäischen Juden als Angehörige eines jüdischen Volkes betrachteten. Die damit verbundenen unterschiedlichen Vorstellungen von den Aufgaben der Gemeinde führten in den 1920er Jahren zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen.
Zahlreiche Einrichtungen verschiedener religiöser und kultureller Strömungen des jüdischen Berlins der 1920er Jahre befanden sich in der Nähe dieser Synagoge: die Synagoge der orthodoxen Gemeinde in der Heidereutergasse war zehn Gehminuten entfernt. In der Grenadierstraße (heutige Almstadtstraße) gab es circa 30 weitere Betstuben, die von osteuropäischen Juden besucht wurden. In der Großen Hamburger Straße – nur zwei Blocks von der Neuen Synagoge entfernt – liegt bis heute der älteste jüdische Friedhof Berlins. In der Tucholskystraße befand sich bis 1942 die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, in der osteuropäische und deutsche Juden gemeinsam lernten. Heute befindet sich in diesem Gebäude der Sitz des Zentralrats der Juden.
- Fahrradtaxi vor der Synagoge
© Jüdisches Museum Berlin, Foto: Gelia Eisert
- Kuppeln der Synagoge © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Gelia Eisert
- Besucher in den Ausstellungsräumen des Jüdischen Museums in Berlin im September 1936 © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Herbert Sonnenfeld, Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin
Links neben der Synagoge befand sich das Hospiz der Jüdischen Gemeinde. Nach Umbauten wurde hier am 24. Januar 1933 das erste Berliner Jüdische Museum eröffnet.
Die Ausstellung zeigte neben Zeremonialgegenständen und archäologischen Objekten auch Werke jüdischer Künstler. Mit letzteren war es eine Ausnahme unter den jüdischen Museen seiner Zeit. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, nur eine Woche nach der Eröffnung des Museums, begann mit zahlreichen antijüdischen Verordnungen die Verdrängung von Juden aus Öffentlichkeit und Kultur. Schon bald war das Jüdische Museum in Berlin der letzte Ort, an dem jüdische Künstler ihre Arbeiten zeigen konnten.
Nach dem Novemberpogrom 1938 verfügten die Nationalsozialisten die Schließung des Museums und beschlagnahmten die Sammlung.
- Blick in die Ausstellungsräume des Jüdischen Museums in Berlin im September 1936 © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Herbert Sonnenfeld, Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin
Das Berliner Jüdische Museum erwarb in den 1930er Jahren drei Gemälde von Leonid Pasternak (1862–1945).
Pasternak, der Vater des Schriftstellers Boris Pasternak, kam 1921 nach Berlin. Als einer der etablierten Hauptvertreter des russischen Impressionismus war er in der russischen Kunst und Literatur des 19. Jahrhunderts verwurzelt.
Seine jüdische Herkunft leugnete er nie, doch glaubte er nicht an eine nationale jüdische Kunst. Er wollte auch nicht, wie die Avantgarde, mit der vergangenen Kunst radikal brechen. Ein Fixpunkt seines Schaffens war die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Individuum.
In Berlin wurde Pasternak ein gefragter Porträtist, nicht zuletzt der Künstler und Schriftsteller, mit denen er befreundet war.
1938 kam er seiner Ausweisung durch die nationalsozialistischen Behörden zuvor und emigrierte nach England.
- Leonid Pasternak »Der Schriftsteller Salomon An-Ski liest den Dybbuk im Haus des Verlegers A. J. Stybel in Karzinkino bei Moskau« (ca. 1919)
© The Israel Museum, Jerusalem
- Leonid Pasternak »Max Liebermann eröffnet eine Ausstellung in der Berliner Akademie« (1930) ©
The Israel Museum, Jerusalem
English