Die Reihe »Neue deutsche Geschichten«, die seit Januar letzten Jahres in den Akademieprogrammen stattfindet, geht in diesem Jahr weiter: Morgen Abend, am 10. März 2015, stellt Ahmad Milad Karimi, Professor für islamische Philosophie und Mystik, in der Akademie des Jüdischen Museums Berlin sein Buch »Osama bin Laden schläft bei den Fischen« vor. Vorab haben wir ihm drei Fragen gestellt.
Julia Jürgens: Lieber Herr Karimi, in Ihrer Autobiographie bringen Sie westliche Populärkultur und islamische Geistesgeschichte, die Übersetzung des Koran und eine Doktorarbeit über Hegel sowie eine Vorliebe für Mafia-Filme und die persische Mystik zusammen. Um den Untertitel Ihres Buches als Frage zu formulieren: Was hat Marlon Brando damit zu tun, dass Sie gerne Muslim sind?
Ahmad Milad Karimi: Das ist ein Geheimnis des Buches, ein Geheimnis, das vor allem darin verborgen ist, dass Menschen immer mehr sind als die Schubladen, in denen man sie gerne festhalten möchte.
Vor sechs Jahren haben Sie eine Neu-Übersetzung des Korans vorgelegt. Was hat Sie motiviert, sich einer solchen Herausforderung zu stellen und den schon bestehenden Übersetzungen eine weitere hinzuzufügen?
Der Koran ist mehr als nur Buch, es ist die Poesie Gottes. Der Koran ist rhythmisch, melodisch, hat Takt und Klang; jede Atempause ist bewegt und tragend. Die Weise, wie der Koran sich ereignet, indem er einen Resonanzraum schafft, dringt ins Herz. Gott in diesem Akt der Schönheit zu erfahren, macht den Koran aus. Mein Vorhaben den Koran zu übersetzen war von dieser Erfahrung geprägt, den Koran so ins Deutsche zu übertragen, dass dieser Charakter mehr im Mittelpunkt steht.
Sie sind 1992 mit Ihrer Familie vor dem Krieg aus Afghanistan geflüchtet. Gelotst von Schleppern haben Sie eine über ein Jahr dauernde Odyssee mit Stationen in Neu-Delhi und Moskau hinter sich gebracht, bevor Sie das Ziel Deutschland erreichten. Wie sehen Sie angesichts Ihrer Erfahrung die aktuelle Flüchtlings- und Asylpolitik der »Festung Europa«?
Was ist Europa ohne seine Flüchtlinge? Der deutsche Philosoph Walter Benjamin, der sich auf der Flucht vor den Nazis 1940 das Leben nahm, sagte einmal: »Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Dass es ›so weiter‹ geht, ist die Katastrophe.« Katastrophal ist die Haltung zu den Menschen, die auf der Flucht sind. Menschen, die nach Menschlichkeit trachten, aber diese kaum erfahren. »Duldung«, »Ablehnung« und »Abschiebung« sind Urteile, die Menschen betreffen. Aber die Menschen werden verortet, wie Dinge behandelt, die Geld kosten und lästig sind. Menschenrechtskonforme Flüchtlingspolitik fordert hingegen eine solidarische und allen voran umfassende Politik. Legale Einwanderungsprogramme müssten an erster Stelle stehen. Europa wird an seinem eigenen demokratischen Maßstab scheitern, wenn die Asylpolitik nicht Menschen im Blick hat, sondern die ökonomischen Interessen des jeweiligen Landes.
Das Gespräch führte Julia Jürgens, Akademieprogramme
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