InderKinder
Über den kreativen Umgang mit Zuschreibungen
Drei Fragen an Urmila Goel und Nisa Punnamparambil-Wolf
In der Akademie des Jüdischen Museums stellten Urmila Goel und Nisa Punnamparambil-Wolf am 20. März 2014 das von ihnen herausgegebene Buch InderKinder – Über das Aufwachsen und Leben in Deutschland (Drapaudi Verlag) vor. In der Lesung und Diskussion kamen dieses Mal die Kinder von Migrant*innen aus Indien zu Wort, die erst seit der Green-Card-Kampagne im Jahr 2000 auch öffentlich wahrgenommen werden. Die Veranstaltung gehört zur Reihe Neue deutsche Geschichten, in der wir anhand von Biografien die Geschichte und Gegenwart Deutschlands als Migrationsgesellschaft beleuchten.
Vorab – am 19. März 2014 – führte Julia Jürgens ein kurzes Interview mit den beiden Herausgeberinnen Urmila Goel und Nisa Punnamparambil-Wolf:
Wie kam es zu dem Buchtitel?
Mit dem Buchtitel nehmen wir Bezug auf die ausgrenzende „Kinder statt Inder“-Kampagne aus dem Jahr 2000. Das Wortspiel „InderKinder“ geht ironisch damit um, dieser kreative Umgang mit Zuschreibungen war uns wichtig. Mit dem Buch wollen wir zeigen, wie vielfältig Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind und leben, mit der Zuschreibung umgehen, Kind von indischen Migrantinnen und Migranten zu sein.
Das Buch besteht aus zwei Teilen – autobiografischen Erzählungen und Essays. Was für ein Konzept verfolgen Sie damit?
Die Beiträge im Buch sind von Menschen verfasst, die als Inderinnen und Inder der zweiten Generation beschrieben werden können. Sie enthalten autobiografische Betrachtungen, gehen aber über das autobiografische Erzählen hinaus. Die Essays im zweiten Teil nehmen eine wissenschaftliche Perspektive ein, indem sie reflektieren, was diese autobiografischen Erfahrungen und Erzählungen uns über unsere Gesellschaft sagen können. InderKinder ist aber kein wissenschaftliches Buch. Es ist ein Buch für alle, die sich für Migrationsgeschichten interessieren.
Inderinnen und Inder sind eine in der Öffentlichkeit vergleichsweise wenig beachtete Einwanderergruppe – ist das eher ein Vor- oder ein Nachteil, wenn man nicht so im Fokus der Migrationsdebatten steht?
Die „Kinder statt Inder“-Kampagne und die Diskussionen über „Computer-Inder“ haben gezeigt, was es bedeutet, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Das war durchaus zwiespältig. Zum einen wurden Menschen, die familiär mit Indien verbunden sind, endlich wahrgenommen, konnten ihre Geschichten erzählen usw. Zum anderen gab es auch mehr Anfeindungen und Festschreibungen. Entscheidend ist aber weniger die Aufmerksamkeit als das Bild der Modellminderheit. Inderinnen und Inder werden meist als gebildet und gut integriert beschrieben. Diese Zuschreibung kann genutzt werden, um andere Einwanderergruppen noch mehr abzuwerten. Darüber diskutieren wir im Buch auch.
Das Interview führte Julia Jürgens (Akademieprogramm zu Migration und Diversität).
Zitierempfehlung:
Julia Jürgens (2014), InderKinder
Über den kreativen Umgang mit Zuschreibungen. Drei Fragen an Urmila Goel und Nisa Punnamparambil-Wolf.
URL: www.jmberlin.de/node/6397
Interviewreihe: Neue deutsche Geschichten (12)