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Judith Kessler

Kurz­interview und Foto von der Ausstellungs­eröffnung Frédéric Brenner – ZERHEILT

Judith Kessler vor ihrem Porträt in der Ausstellung ZERHEILT, man sieht ein Fenster des Libeskind-Baus

Judith Kessler in der Ausstellung ZERHEILT; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jule Roehr

Mein Name ist Judith Kessler, ich bin Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Biografieforschung und Gegenwartskultur.

Wie kam es zur Idee der Inszenierung in Ihrem Portrait?

Gar nicht. Ich habe Frédéric Brenner ein paar Orte gezeigt, wo man – jenseits jüdischer Gräber oder Gedenktafeln – deutsche NS-Geschichte sehen und „riechen“ kann: wie das Finanzamt Charlottenburg, bei dem über dem herausgebrochenen Hakenkreuz am Reichsadler jetzt die Hausnummer klebt, oder – im Fall dieses Fotos – eben die Langemarckhalle am Olympiaturm, eines der Beispiele für größenwahnsinnige Architektur, martialische Opferkulte und pure Lebensverachtung, die einen immer noch schaudern lassen, zugleich aber total lächerlich wirken. Umso mehr, wenn da heute eben kein Adolf, sondern eine Judith steht.

Wie erleben Sie jüdisches Leben in Berlin?

Ein bisschen wie auf dem Dorf. Jede/r kennt jede/n, in die Synagoge der/s Anderen geht man nicht, und XY ist eh ein Trottel oder kein echter Jude. Andererseits gab es in Berlin, seit ich denken kann, noch nie so viel(e) spannende jüdische Initiative(n) in Kunst, Kultur und Gesellschaft, die von Diversität, über Säkularität, die Verknüpfung mit nichtjüdischen und migrantischen Communities bis zu Anti-Antisemitismus aktuelle Themen aufgreifen, die mich interessieren – also Herausforderungen und Betätigungsfelder genug, auch außerhalb etablierter Strukturen.

Beschreiben Sie Ihr Leben in Berlin in drei Adjektiven.

reizvoll. psychosomatisch. sachdienlich.

(Ehrlich gesagt, habe ich Probleme mit „Adjektiven“ – alternativ: divers. quirlig. quer. heterogen. chaotisch. unterhaltsam. offen.)

Was würden Sie sich für das zukünftige jüdische Leben in Berlin wünschen?

Dass wir statt in Gedenkjahren abgefeiert zu werden, problemlos einen Davidstern tragen können, dass wir uns Diskurse nicht von Judendarstellern und Trittbrettfahrern bestimmen lassen, dass wir nicht auf Folklore, Religion, Holocaust, Israel reduziert (oder aufgeblasen) werden und uns selber nicht darauf reduzieren. Wir sind weder „Nathan der Weise“ noch „Jud Süß“.

Eine Frau in Lederjacke in schwarzer Lederjacke steht vor einer grau-braunen Wand und schaut zur Seite

Aus dem fotografischen Essay ZERHEILT von Frédéric Brenner; Jüdisches Museum Berlin, erworben mit Unterstützung der Freunde des Jüdischen Museums Berlin

Zitierempfehlung:

Jüdisches Museum Berlin (2021), Judith Kessler. Kurz­interview und Foto von der Ausstellungs­eröffnung Frédéric Brenner – ZERHEILT.
URL: www.jmberlin.de/node/8377

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