Lesenswerte Kinder- und Jugendbücher
zu Nationalsozialismus und Holocaust
Zum Thema Nationalsozialismus und Holocaust wurden in den letzten Jahrzehnten unzählige Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. Es ist nicht leicht, sich einen Überblick darüber zu verschaffen bzw. in der Masse der Bücher solche zu finden, die das Thema angemessen und gut darstellen. Das Jüdische Museum Berlin wird oft nach Buchempfehlungen zu Nationalsozialismus und Holocaust gefragt. Aus diesem Grund haben wir – eine Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlicher Bereiche des Museums – uns zusammengetan und über mehrere Jahre hinweg Bücher gelesen und diskutiert.
In der Broschüre finden Sie Titel, die wir empfehlen – für den Unterricht, aber auch zur privaten Lektüre.
Details
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Lesenswerte Kinder- und Jugendbücher
zu Nationalsozialismus und Holocaust
broschiert
Jüdisches Museum Berlin
Berlin 2015, 2017deutsch
Jüdisches Museum Berlin
Büro Harald Niessner
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Lesenswerte Kinder- und Jugendbücher zu Nationalsozialismus und Holocaust
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Lesenswerte Kinder- und Jugendbücher zu Nationalsozialismus und Holocaust
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Alle Bücher
- Als Hitler das Rosa Kaninchen stahl
- Das versteckte Kind
- Marisha. Das Mädchen aus dem Fass
- Eine Insel im Meer
- Muscha. Ein Sinti-Kind im Dritten Reich
- Ich war ein Glückskind. Mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport
- Anne Frank: Tagebuch
- Ein Königreich für Eljuscha
- Malka Mai
- Flügel aus Papier
- Prinsengracht 263. Die bewegende Geschichte des Jungen, der Anne Frank liebte
- Abschied von Sidonie
- Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft
- Ein Haus in Berlin. 1935. Paulas Katze
- Drei Steine
- Brauner Morgen
- Wir sind die Adler. Eine Kindheit in Theresienstadt
- Ein gutes Leben ist die beste Antwort. Die Geschichte des Jerry Rosenstein
- Nebel im August. Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa
- Emil und Karl
- Zweite Generation. Was ich meinem Vater nie gesagt habe
- Kinderjahre
- Maus
- Irmina
Als Hitler das Rosa Kaninchen stahl
Judith Kerr
Anna, 9 Jahre alt, flieht mit Ihrer Familie noch vor den Wahlen 1933 aus Berlin. Ihr Vater ist ein angesehener und nazikritischer Journalist, außerdem ist die assimilierte Familie jüdisch. Sie müssen überstürzt abreisen, ihre Möbel sollen nachkommen. Dazu kommt es nicht: Direkt nach den Wahlen werden Haus und Besitz beschlagnahmt.
Die Familie flieht in die Schweiz; später zieht sie nach Paris weiter. Als sich ihre finanzielle Lage weiter verschlechtert, fällt der Beschluss, nach London zu gehen. Das Buch endet mit der Ankunft am Londoner Bahnhof.
Der autobiografische Roman – aus Annas Sicht geschrieben – ist zu Recht ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur und bietet auch heute noch einen hervorragenden Einstieg in die Themen Nationalsozialismus und Verfolgung, aber auch Flucht und Integration.
Flucht, Familie, Antisemitismus, Leben in der Fremde, Autobiografie
Das versteckte Kind
Loic Dauvillier (Text)
Marc Lizano (Bild)
Elsa möchte ihre Oma Dounia trösten, die nachts nicht schlafen kann. Erzähle mir von deinem Albtraum, bittet sie, dann wird es dir besser gehen. Und Dounia erzählt: Von der Besetzung Paris’ durch die Deutschen, von dem Gesetz, dass alle Juden einen gelben Stern zu tragen haben und von den Ausgrenzungen in der Schule und auf den Straßen. Eines Nachts hämmert die Polizei an ihre Tür. Dounia kann sich verstecken, ihr wird geholfen.
Das versteckte Kind ist eine Graphic Novel, die das Überleben im Versteck und Widerstand im besetzten Frankreich thematisiert
Besetzung Frankreichs, Widerstand, Verfolgung, Leben im Versteck
Marisha
Das Mädchen aus dem Fass
Gabriele Hannemann (Text)
Inbal Leitner (Bild)
Fünf Jahre erlebt Marisha eine unbeschwerte Kindheit auf dem Land. Mit dem Einmarsch der Deutschen in Polen 1939 muss Marisha mit ihrer Familie ins Ghetto ziehen. Die Familie flieht. Marishas Mutter überlebt diese Flucht nicht. Ihrem Vater gelingt es, Marisha bei polnischen Bauern unterzubringen. Anderthalb Jahre verstecken sie das kleine Mädchen in einem Fass, versorgen und pflegen es. Marisha überlebt, erreicht 1948 Haifa und kommt schließlich, wie sie es ihrer Mutter versprochen hat, bei ihrer Tante Lea an. Marisha nennt sich fortan Malka – die Königin – und beginnt ein neues Leben.
Gabriele Hannemann erzählt klar und einfühlsam von Flucht und Überleben, von Hunger, Angst und Einsamkeit, aber auch von Freundschaft und Fürsorge. Liebevolle Illustrationen, Fotos der „echten“ Malka und ein kompakter Anhang machen diesen Band zu einer sensibel aufbereiteten Einstiegslektüre.
Flucht, Verfolgung, Überleben, Leben im Versteck, Verlust und Neubeginn in Palästina/Israel
Eine Insel im Meer
Annika Thor
Sommer 1939: Steffi und Nelli reisen nach Schweden, wo sie von Gastfamilien aufgenommen werden. Die beiden Schwestern sollen für einige Monate auf einer kleinen Insel bleiben, so lange, bis sie gemeinsam mit ihren Eltern nach Amerika auswandern können. Vor allem der zwölfjährigen Steffi fällt es schwer, sich in der fremden, kargen Umgebung und bei der strengen, zutiefst christlichen Tante Märta, bei der sie untergekommen ist, einzuleben. Die Zeit vergeht, die Eltern können Wien wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges nicht verlassen und Steffi und ihre kleine Schwester Nelli müssen sich langsam an ihr neues Leben gewöhnen – weit weg von ihren Eltern.
Annika Thor erzählt die Geschichte zweier jüdischer Mädchen, die es ans „Ende der Welt“ – wie sie es selbst nennen – verschlägt. Sie erzählt, wie schwer es ist, die Eltern und das Zuhause verlassen zu müssen und sich in der Fremde einzuleben.
Flucht, Fremdsein, Leben im Exil
Muscha
Ein Sinti-Kind im Dritten Reich
Anja Tuckermann
Schon am Schulanfang merkt Josef, dass man ihn anders behandelt als die anderen Kinder. Ist es nur, weil er anders aussieht als sie? Ist er deshalb anders? Es gibt so viele Fragen, auf die seine Eltern nicht antworten wollen. Er wird verprügelt, gedemütigt und ausgestoßen. Warum spielt kein Kind mehr mit ihm? Er hat doch keinem etwas getan! Sogar viele Erwachsene beleidigen ihn, obwohl er sie gar nicht kennt. Als der Krieg beginnt, wird alles noch schlimmer. In der Schule wird er für Sachen bestraft, die er nicht getan hat, und er wird ausgeschlossen. Seine Freunde trauen sich nicht, ihn zu verteidigen, weil sie mit der Strafe der Eltern rechnen müssen. Warum hat Josef schwarze krause Locken und dunkle Haut? Warum sind seine Eltern blond? Warum antwortet ihm keiner auf seine Fragen?
Anja Tuckermann erzählt die wahre Geschichte des Sinti-Jungen Josef „Muscha“ Müller, der Nationalsozialismus und Verfolgung bei einer Pflegefamilie und im Versteck überlebt hat.
Sinti, Verfolgung, Leben im Versteck, Überleben
Ich war ein Glückskind
Mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport
Marion Charles
Mitreißende Tagebuchnotizen eines jungen Mädchens 1939-1945, Familienfotos, Briefe an die Eltern ... Viele Jahre später – das junge Mädchen ist längst erwachsen – kommentiert sie ihre Notizen: Marion Charles, 1927 in Berlin-Dahlem geboren, ist eines von 10.000 jüdischen Kindern, die in den Jahren 1938/39 mit dem sogenannten Kindertransport nach Großbritannien gelangen und bei Gastfamilien Krieg und Schoa überleben. Ihre ungefilterten, bisweilen naiven Gedanken sind spannend, ihr Heranwachsen bedrückend und zugleich überraschend, ihre Beschreibung eines christlichen Gottesdienstes erfrischend. Ihre Angst um die in Deutschland gebliebene Mutter, von der sie über zwei Jahre nichts hört, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und löst sich auf. Wie, das soll nicht verraten werden.
Ich war ein Glückskind ist trotz einiger historischer Ungenauigkeiten ein lesenswertes Zeitdokument.
Kindertransporte, Flucht, Fremdsein, Selbstbehauptung, Antisemitismus und Deutschlandbild in England
Tagebuch
Anne Frank
Am 12. Juni 1942 beginnt die 13-jährige Anne, Tagebuch zu schreiben. Anne adressiert ihre Einträge an eine fiktive Freundin, Kitty, und vertraut ihr persönliche Geheimnisse an – etwa den Wunsch, Schriftstellerin zu werden, den Unmut über ihre Mutter und andere Dinge, mit denen wahrscheinlich viele 13-Jährige überall auf der Welt zu kämpfen haben –, aber auch die Spannungen und Konflikte im Zusammenleben auf engstem Raum, ihre Gedanken zum Kriegsgeschehen und zu dem von Deutschland besetzten Amsterdam. Denn ab Juli 1942 lebt Anne im Versteck im Hinterhaus der Prinsengracht 263, das ihre Familie mit vier weiteren Personen teilt. Am 1. August 1944 schreibt sie zum letzten Mal an Kitty, drei Tage vor ihrer Deportation.
Anne Franks Tagebuch ist ein authentisches historisches Zeugnis, das seit seiner Erstveröffentlichung Menschen in aller Welt bewegt.
Leben im Versteck, Verfolgung, Identität, Pubertät
Ein Königreich für Eljuscha
Uri Orlev
Eljuscha wächst wohlbehütet in Kostopol – einem Städtchen, das damals zu Polen gehörte – auf, bis die Familie des 5-Jährigen vor der Deutschen Wehrmacht nach Kasachstan flieht. Er lernt, was zum Überleben in der kargen Umwelt wichtig ist, und findet in einem kleinen Dorf ein Königreich. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzt sich seine Reise über Schlesien, Deutschland und Frankreich fort. Sie endet schließlich mit dem Blick des mittlerweile 10-Jährigen Eljuscha auf die jüdische und arabische Bevölkerung in Palästina. Uri Orlev erzählt eindrucksvoll die wahre Geschichte des polnisch-jüdischen Eli Pas-Posniak, genannt Eljuscha.
Zweiter Weltkrieg, Flucht, Leben im Exil, Familie, Palästina und Israel
Malka Mai
Mirjam Pressler
Die jüdische Ärztin Hanna lebt mit ihren Töchtern Minna und Malka in einer Kleinstadt an der Grenze zu Ungarn; sie fühlt sich durch ihre Beziehungen zu den „kultivierten“ deutschen Besatzern sicher. Als jedoch die Deportationen einsetzen, müssen sie Hals über Kopf fliehen. Auf der Flucht wird die 7-jährige Malka schwer krank. Helfer sollen sie nachbringen, doch sie setzen das Kind aus. Malka lernt Hunger, Schmerzen und Gefühle zu unterdrücken, das Überleben wird ihr Lebensinhalt. Die verzweifelte Hanna kehrt mit falschen Papieren zurück und findet Malka – doch das Kind erkennt die Frau Doktor, ihre Mutter, nicht mehr.
Malka Mai führt mit emotionaler Wucht das Trauma des Überlebens vor Augen, sowohl in der Geschichte Malkas als auch in den tragischen Entscheidungen ihrer Mutter.
Zweiter Weltkrieg, Polen/Ungarn, Verfolgung, Flucht, Verlust, Überleben, Trauma
Flügel aus Papier
Marcin Szczygielski
Warschauer Ghetto 1942: Rafał und sein Großvater wohnen in einer Wohnung, die sie sich mit vielen anderen teilen müssen und die Rafał nur für den Weg in die Bibliothek verlassen darf. Der Weg zur Bibliothek ist gefährlich, weil er aufpassen muss, dass er den „Morlocken“, den deutschen Soldaten, nicht in die Hände fällt. Die Bücher, die „Flügel aus Papier“, helfen ihm, sich nicht von Hunger, Elend und Tod erdrücken zu lassen – vor allem sein Lieblingsbuch, Die Zeitmaschine von H. G. Wells. Sein Großvater verkauft seine Geige, um Rafałs Flucht bezahlen zu können. Rafał entkommt der Liquidierung des „Bezirks“ und der Ermordung seiner Bewohner*innen.
Der zweite Teil des Buches konzentriert sich auf das Überleben im Zoo. Der Warschauer Zoo bietet Jüdinnen und Juden Verstecke und Überlebenschancen. Rafał hat dort Unterschlupf bei einer Kindergruppe gefunden.
Mit den Augen eines aufmerksamen Kindes folgt der/die Leser*in den Veränderungen im „Bezirk“.
Warschauer Ghetto, Flucht und Überleben, Freundschaft, Widerstand
Prinsengracht 263
Die bewegende Geschichte des Jungen, der Anne Frank liebte
Sharon Dogar
Er hatte die Flucht aus dem von Deutschen besetzten Holland geplant. Doch nun sitzt er fest, 15-jährig, versteckt in einem Hinterhaus in Amsterdam, und erlebt vom Sommer 1942 bis zu ihrer Entdeckung und Deportation 1944 die Liebe zu seiner Mitbewohnerin Anne – auf engstem Raum, stets von allen beobachtet. Wären die beiden unter anderen Umständen auch ein Paar geworden?
Sharon Dogar lässt in Prinsengracht 263 Peter van Pels seine Gedanken und geheimen Gefühle schildern, unsentimental und realitätsnah – rekonstruiert und interpretiert, aus Zeitzeugeninterviews und den Tagebuchaufzeichnungen von Anne Frank.
Leben im Versteck, Liebe, Leben angesichts des Todes
Abschied von Sidonie
Erich Hackl
Am 18. August 1933 entdeckt der Pförtner des Krankenhauses in der oberösterreichischen Stadt Steyr einen Säugling. In Lumpen gewickelt mit der Nachricht: „Ich heiße Sidonie Adlersburg und bin geboren auf der Straße nach Altheim. Bitte um Eltern.“ Das Ehepaar Josefa und Hans Breirather aus dem benachbarten Dorf Schwaming nimmt das Kind auf.
Erich Hackl beschreibt das behütete Aufwachsen Sidonies, die liebevolle Fürsorge der Pflegeeltern und die zunächst langsamen Veränderungen im Zusammenleben, die dem Völkermord an Sinti und Roma vorausgehen.
Abschied von Sidonie ist ein dokumentarischer Roman, der auf Archivmaterialien beruht, und zugleich eine authentische Milieustudie, die daher leider auch zeitgenössische Klischees wiedergibt.
Sinti und Roma, Denunziantentum, Widerstand, Mikrokosmos Dorf
Der Boxer
Die wahre Geschichte des Hertzko Haft
Reinhard Kleist (Text und Bild)
Hertzko Haft ist ein gewalttätiger Mensch, das Gegenteil dessen, was als ein „guter Vater“ gilt. Sein Sohn Alan Scott Haft weiß lange nicht, weshalb sein Vater so ist – und will es auch nicht wissen.
„Eines Tages werde ich dir alles erzählen“, deutet Hertzko einmal an. Es dauert 40 Jahre, bis er seinem Sohn von seiner Jugend im polnischen Belchatow erzählt, dem Einmarsch der Deutschen, von seiner ersten Freundin Leah, den Einschränkungen, denen Juden immer mehr ausgeliefert waren. Und er erzählt, wie er in den KZs zur Unterhaltung der Wachmannschaften gegen andere Häftlinge boxen musste. Nach der Befreiung erfährt er, dass Leah in Amerika lebt, und wandert ebenfalls aus. Er boxt, um berühmt zu werden. Alle sollen erfahren, dass er lebt. Vor allem Leah.
Nach einer wahren Geschichte.
Überleben, Boxen im KZ, zweite Generation
Ein Haus in Berlin
1935
Paulas Katze
Waldtraut Lewin
Die 16-jährige Katharina erzählt, was sich in ihrem Leben im Herbst 1935 ereignet. Ihre Lehrerin informiert sie über das neue „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“. Sie weiß, dass ihre Tante Paula sogenannte „Halbjüdin“ ist – Paula, in der sie eine Vertraute, eine Förderin ihrer künstlerischen Begabungen gefunden hat. Katharina schildert atemlos, sich und ihr Umfeld genau analysierend, die Ereignisse weniger Wochen, in denen sie sich schwerwiegenden Entscheidungen stellen muss.
Wir Lesenden werden Zeugen tief empfundener Liebe, großer Traurigkeit und der Konfliktfähigkeit dieser starken, eigenwilligen und ehrlichen Katharina, die von ihrer Tante Paula „Katze“ genannt wird.
Konfliktbewältigung, Persönlichkeitsentwicklung, Liebe, Rassegesetze, Berlin
Drei Steine
Nils Oskamp (Text und Bild)
Dortmund-Dorstfeld wird in den 1980er Jahren zur Hochburg rechter Gewalt. Nils Oskamp besucht in dieser Zeit dort die Wilhelm-Busch-Realschule. Er gerät ins Visier der Rechtsradikalen, weil er widerspricht. Er wird gedemütigt, geschlagen und entkommt nur knapp einem Anschlag. Nils‘ Umfeld – seine Eltern, die Schule – und die Polizei ignorieren, verharmlosen oder unterstützen rechtsradikale Positionen. Für Nils beginnt ein einsamer Spießroutenlauf. Nachdem er erneut zusammen geschlagen wird und im Krankenhaus landet, erstattet er Anzeige. Mit den juristischen Ermittlungen gegen die rechte Szene und der Hilfe eines Freundes hört die Gewalt endlich auf. In seinen Träumen verfolgt sie ihn weiterhin.
Ein ausführlicher Beitrag von Alice Lanzke über die rechtsextreme Szene in Dortmund von den 1980er Jahren bis heute ergänzt Nils Oskamps Erinnerungen an Ereignisse in seiner Jugend. Die autobiografische Graphic Novel zeigt, wie eine Spirale von rechtsextremer Gewalt entsteht, aber auch mögliche Auswege.
Rechtsextremismus, Gewalt, Jugendliche
Brauner Morgen
Franck Pavloff (Text)
C215 (Bilder)
Wann ist es zu spät? Schon dann, wenn alle braunen Haustiere verboten werden? Wenn man jene braunen Tiere, die man hat, laut Gesetz ermorden muss? Oder kann man sich, wenn man – wie der Erzähler in Brauner Morgen – nur seine Ruhe haben will, auch damit noch arrangieren, dass die Lieblingszeitung verboten wurde und bestimmte Bücher aus den Regalen verschwunden sind? Brauner Morgen erzählt in wenigen Sätzen von einem immer enger werdenden Leben, von immer größerer staatlicher Willkür und einer immer größer werdenden Angst – bis es zu spät scheint, sich zu wehren.
Die Parabel ist mit Streetart des Künstlers C215 eindrücklich illustriert.
Entstehung totalitärer Regime, Diktatur, Widerstand, Rassismus, Angst, Mitläufer
Wir sind die Adler
Eine Kindheit in Theresienstadt
Michael Gruenbaum & Todd Hasak-Lowy
Mischa ist acht Jahre alt und wächst mit seinen Eltern und seiner großen Schwester in Prag auf, das seit 1938 unter deutscher Besatzung ist. Durch die antijüdischen Gesetze darf Mischa u.a. nicht mehr im Park Fußballspielen. Mit jedem neuen Gesetz verschlechtert sich die Situation der Familie Gruenbaum, bis sie im September 1940 ins beengte und schlecht versorgte jüdische Ghetto in Prag umsiedeln muss. Dort wird Mischas Vater, ein angesehenes Mitglied der jüdischen Gemeinde und Ansprechpartner für viele Menschen, eines Tages von einem bewaffneten Kommando abgeholt und kommt nicht wieder. Im November 1942 wird die restliche Familie ins KZ Theresienstadt deportiert. Dort lebt Mischa zusammen mit 40 anderen in der Jungen-Baracke Nummer 7 und ist gezwungen, schwere körperliche Arbeit zu verrichten. Trotz der elenden Umstände helfen sich die Jungen und sind solidarisch. Das verdanken sie vor allem Franta, ihrem fürsorglichen Betreuer, der ihrer Gruppe den Namen „Nescharim“ (hebräisch für Adler) gegeben hat. Er erinnert sie daran, sich ihre Mitmenschlichkeit und damit – entgegen aller Nazi-Propaganda – auch ihre Würde zu bewahren.
In dieser autobiografischen Nacherzählung der Kindheit Michael Gruenbaums (durch den Ghostwriter Todd Hasak-Lowy) tauchen die Lesenden in die Perspektive und jugendliche Sprache des Jungen Mischa ein. Es ist eine Kindheit, die keine war. Dennoch kann Mischa sich stets einen Funken Hoffnung bewahren und Kraft aus kleinen Momenten der Freude schöpfen.
Autobiografie, Familie, Prager Ghetto, Verfolgung, Verlust, KZ Theresienstadt, Solidarität
Ein gutes Leben ist die beste Antwort
Die Geschichte des Jerry Rosenstein
Friedrich Dönhoff
1927 im hessischen Bensheim geboren, zieht Jerry Rosenstein im Jahr 1936 mit seinen Eltern und seinen beiden Brüdern nach Amsterdam, wo die Familie vor Antisemitismus, Ausgrenzung und Verfolgung sicher ist. Vorläufig. 1942 wird einer der Brüder, im Januar 1943 werden Jerry und seine Eltern deportiert.
70 Jahre später, im Jahr 2013, reist Jerry Rosenstein von San Francisco nach Amsterdam und Deutschland und erzählt dem Autor Friedrich Dönhoff die Geschichte seines Lebens in eindringlichen kurzen Episoden: von Vertreibung, Deportation, KZs, Verlust – vom Überleben und dem Leben nach dem Überleben. Er erzählt von seiner Emigration in die USA und wie er dort als Schwuler zurechtkam und ein gutes Leben leben konnte.
Erinnerung, Vertreibung, Emigration, Holocaust, Leben nach dem Überleben
Nebel im August
Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa
Robert Domes
Ernst Lossa, ein lebensfroher 4-jähriger, versteht nicht, weshalb er seinen Eltern entrissen wird. Der 1929 in Augsburg in einer jenischen Familie geborene Ernst erlebt antiziganistische Ausgrenzung und Rassenwahn durch Bevölkerung und NS-Behörden hautnah.
Basierend auf Originalakten und Zeitzeugengesprächen wird sein dorniger Lebensweg erzählt – aus seiner Perspektive: Seelisch vereinsamt lebt er im NS-Erziehungsheim Markt Indersdorf. Der 14-jährige ahnt sein Schicksal, als er aus der Männerabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren in die berüchtigte Allgäuer „Heil-und Pflegeanstalt“ Irsee verschleppt wird.
Jenisch-Sein, Ausgrenzung, NS-Rassenwahn, Heimerziehung, Euthanasie
Emil und Karl
Yankev Glatstheyn
Emil und Karl sind Freunde, neun Jahre alt, und leben in Wien, 1938. Karls Eltern sind Sozialisten, der Vater tot, die Mutter verhaftet. Karl sucht bei seinem jüdischen Freund Zuflucht, dessen Mutter nach der Ermordung des Vaters in eine Institution gebracht wird. Auf sich allein gestellt, schlagen sich die Jungen durch Wien, werden Zeugen der Erniedrigungen der Juden und lernen die Doppelgesichtigkeit der Erwachsenenwelt kennen. Von Widerstandskämpfern versteckt, gelangen sie schließlich auf die Liste der Kindertransporte, doch am Bahnhof werden die Freunde getrennt.
Emil und Karl ist die Geschichte einer Freundschaft und einer versehrten Kindheit, die Verfolgte, Mitläufer und Täter, „einfache“ Menschen, „Helden“ und Widerständler nuanciert darstellt.
Verfolgung, Flucht, Kindertransporte, Widerstand, Zivilcourage, Mitläufertum
Zweite Generation
Was ich meinem Vater nie gesagt habe
Michel Kichka (Text und Bild)
Michel Kichka setzt sich in diesem autobiografischen Comic mit der Beziehung zu seinem Vater, der Auschwitz und die Todesmärsche überlebt hat, auseinander. Mit Humor zeichnet und beschreibt er anhand von Alltagssituationen seiner Kindheit und Jugend, wie sich die Vergangenheit seines Vaters auf ihn und seine drei Geschwister auswirkt. Als sein jüngster Bruder sich das Leben nimmt, brechen alte Wunden auf. Die Unfähigkeit des Vaters, um seinen Sohn zu trauern, geht bei ihm einher mit dem Wunsch, seine Erfahrung in den Lagern als Zeitzeuge der nächsten Generation zu vermitteln.
Aus der Perspektive des Sohnes gibt diese Graphic Novel auf sehr persönliche und sensible Weise einen Einblick in eine jüdische Familie rund um die Thematik der Tradierung unverarbeiteter Traumata.
Überleben, zweite Generation, Traumatisierung, Tradierung von Traumata
Kinderjahre
Jona Oberski
Der Titel des Buches Kinderjahre lässt die Annahme zu, Geschichten über eine unbeschwerte, sorglose Zeit, in der ein Kind behütet und geborgen heranwächst, lesen zu können. Jona Oberski, der Erinnerungssplitter seiner frühen Kinderjahre aufgeschrieben hat, kann solche Geschichten nicht erzählen. In seiner Kindheit erlebt er den Verlust alldessen, was das Leben unbeschwert macht.
An seinen vierten Geburtstag erinnert er sich. Er wird von seinen Eltern gefeiert, beschenkt und liebkost, reitet auf den Schultern seines Vaters. Sein Geburtstagsgeschenk, ein Hampelmann aus Holz, bringt ihn zum Lachen. Unmittelbar auf diese freudige Erinnerung folgt die Nacht, in der uniformierte Männer seinen Schlaf stören, die Eltern und ihn zwingen, die Wohnung zu verlassen. Auf diese Nacht, die wie ein vergänglicher Alptraum scheint, folgen die Jahre, in denen Jona sein Zuhause, seine Eltern und seine Kindheit verliert.
Verfolgung, Verlust, KZ, Überleben
Maus
Art Spiegelman (Text und Bild)
Maus gilt nicht nur als eine der stilprägendsten Graphic Novels; das Buch ist auch ein Klassiker der Holocaustliteratur, der seit seiner Erstveröffentlichung zu Diskussionen anregt, viele Fragen aufwirft und viele Fragen beantwortet.
Die Geschichte, die erzählt wird, spielt auf mehreren Ebenen: Art Spiegelman zeichnet das Leben seines Vaters Wladek nach, der aus Polen stammt, 1939 gegen die Wehrmacht kämpft, in Kriegsgefangenenschaft und Arbeitslager gerät und schließlich nach Auschwitz deportiert wird. Auf einer zweiten Ebene thematisiert Spiegelman die Schwierigkeiten beim Erzählen des Nicht-Erzählbaren, die Probleme der bildlichen Darstellung des Holocaust und das schwierige Verhältnis zu seinem Vater.
Auschwitz, Überleben, Darstellbarkeit des Holocaust, zweite Generation
Irmina
Barbara Yelin (Text und Bild)
In den 1930er Jahren reist Irmina, eine abenteuerlustige junge Frau, nach London, wo sie eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin beginnt. Sie freundet sich mit Howard an, einem Oxfordstudenten aus der Karibik, und wird mit Rassismus konfrontiert, dem sie lauthals widerspricht. Aus finanzieller Not muss sie nach Deutschland zurückkehren und nimmt eine Arbeit am Reichskriegsministerium an, hoffend, dass sie nach London versetzt wird. Als das nicht passiert und ein Brief an Howard mit dem Vermerk „unbekannt“ zurückkommt, wählt sie ein völlig anderes Leben: Sie heiratet einen parteitreuen Architekten und wird zur Mitläuferin des NS-Regimes. Erst lange nach dem Krieg muss sie sich mit ihren Lebensentscheidungen auseinandersetzen.
Die Graphic Novel schafft es ohne vorschnelles Urteil, die Geschichte einer Mitläuferin darzustellen und zeichnet ein eindrückliches und bedrückendes Bild von Deutschland während des NS-Regimes.
Rassismus, Mitläufertum, Schuld, Deutschland während des NS-Regimes, Frauen und Emanzipation in den 1930er Jahren