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Liebes­grüße vom Fromet-und-Moses-Mendels­sohn-Platz!

Das Ehe­paar Mendels­sohn im Stadt­bild von Berlin

Seit 2013 hat der neue Stadt­platz an der Linden­straße, zwischen Jü­dischem Mu­seum Ber­lin und unserer Aka­demie, einen Namen: Fromet Gugen­heim, verhei­ratete Mendels­sohn, wird nach einer längeren Entscheidungs­findung seit­dem neben ihrem Ehe­mann Moses Men­dels­sohn im Stadt­bild Berlins vere­wigt. Grund genug, das außer­gewöhn­liche Paar etwas bes­ser kennen­zulernen!

Straßenschild mit der Aufschrift: Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz

Straßenschild am Vorplatz der W. Michael Blumenthal Akademie; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März

Als der Philo­soph Moses Mendels­sohn im Früh­jahr 1761 bei ein­em Besuch in Ham­burg die Kauf­manns­tochter Fromet Gugen­heim kennen­lernt, ist es um ihn geschehen. In einem Garten­häuschen gesteht er ihr seine Liebe und stiehlt „einige Küsse von ihren Lippen“. Wie berauscht kehrt er nach Berlin zurück und schreibt an seinen Freund, Gott­hold Eph­raim Lessing:

„Ich habe die Thor­heit begangen, mich in meinem drei­ßigsten Jahr zu ver­lieben. … Das Frauen­zimmer, das ich zu hei­rathen Willens bin, hat kein Ver­mögen, ist weder schön noch gelehrt, und gleich­wohl bin ich verlieb­ter Geck so sehr von ihr einge­nommen, daß ich glaube, glück­lich mit ihr leben zu können.“

Die bei­den heiraten im Juni 1762. Dass es sich um eine Liebes­heirat han­delt, ist durch­aus ungewöhn­lich, denn die meisten Ehen wurden damals von Heirats­vermittlern geschlos­sen – „so brau­chen wir auch keine Cere­monien zu unserer Corres­pondenz“, schreibt Mo­ses an Fromet in dem aller­ersten Braut­brief vom 15. Mai 1761, „…das Herz wird ant­worten.“

„Bevor ich Sie kennen­gelernt, meine Liebe! war die Ein­sam­keit ein Gar­ten Eden für mich. Nun mehr wird sie mir uner­träglich.“ Berlin, 24. Okto­ber 1761

Wer war Fromet Gugen­heim/​Mendels­sohn?

Fromet Mendelssohn, geb. Gugenheim (1737–1812), Kaufmannstochter, Haus- und Geschäftsfrau aus Altona, 1762 Liebesehe mit Moses Mendelssohn, ihre Briefe belegen die intellektuell gleichberechtigte Beziehung

Wer war Moses Mendelssohn?

Moses Mendelssohn (1729–1786), bedeutender Philosoph der Aufklärung, Wegbereiter der Gleichberechtigung der Jüdinnen*Juden in Deutschland

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Über ein Jahr schrei­ben sich Moses Mendels­sohn und Fro­met Gugen­heim zwei­mal pro Woche Briefe. Moses Mendels­sohns Braut­briefe sowie ei­nige Ehe­briefe von Fromet Mendels­sohn blie­ben er­halten; sie liegen heute in der Musik­abtei­lung der Ber­liner Staats­biblio­thek. Wie es damals üb­lich war, sind sie in jüdisch-deu­tscher Sprache in hebrä­ischen Schrift­zeichen geschrie­ben. Es geht in den Briefen um Mo­ses Mendels­sohns Kritik am tradi­tionel­len jüdischen Ehe­vertrag, um die Nieder­lassungs­rechte in Berlin, die der aus Dessau stam­mende Mendels­sohn für sich und seine Ham­burger Braut bean­tragen muss, bevor sie in Ber­lin hei­raten dürfen, um den Haus­halt, den sie in Berlin füh­ren werden, aber auch um den intellek­tuellen Aus­tausch zwischen dem verlieb­ten Paar und ihren Freund*innen – und, in einem hin­reißen­den Brief vom 2. Oktober 1761, um die Vertei­digung der Pe­rücke.

„Sie den­ken zu edel, als dass Sie sich von einem reichen Ber­liner einen rich­tigen Be­griff soll­ten machen können. Wenn ich das Glück habe, Sie hier zu sehen, und mit Ihnen zu le­ben, so Gott will, so werden Sie alle Gesell­schaften mit hie­sigen Reichen meiden müssen, weil Ihr Charak­ter sich mit jener Denkungs­art gar nit ver­tra­gen will.“ Berlin, 7. Juli 1761
Bestickter Tora-Vorhang mit Löwen-Wappen, Rosen und hebräischer Schrift

Tora-Vorhang aus Fromets Brautkleid; Jüdisches Museum Berlin, Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, Foto: Roman März. Mehr über den Vorhang auf unserer Website ...

Der Haus­halt, den Moses und Fromet Mendels­sohn in Berlin führten, zeich­nete sich durch eine große Offen­heit und ein reges geis­tiges Leben aus – die spä­teren Ber­liner Salons um Hen­riette Herz (eine Freun­din von Fromets Tochter Bren­del, später Doro­thea Schle­gel) und an­dere werden sich an Fromet Mendels­sohn ein Bei­spiel genom­men haben, so der Mendelssohn-Experte Thomas Lack­mann.

Fromet brachte zehn Kin­der zur Welt, von denen sechs das Klein­kind­alter über­lebten. Nach dem Tod ihres Man­nes 1786 ver­ließ sie mit ihren drei jüngs­ten Kindern Berlin und ließ sich in Stre­litz nie­der. Von dort zog sie 1800 in ihre Heimat­stadt Ham­burg zu­rück, wo sie 1812 starb. Übri­gens ließen sich vier Kinder von Moses und Fromet – lange nach dem Tod ihres Vaters – taufen.

Wenn Sie also ein­mal über den Aka­demie­vor­platz schlen­dern, möge dessen Name Sie eben­so an die Philo­sophie wie an die Lie­be den­ken lassen, und an zwei außer­gewöhn­liche Lie­bende.

Aufgeschlagenes Buch mit Titelei und einer Zeichnung von Sokrates, der im Kerker sitzt und einen Totenschädel betrachtet

Moses Mendels­sohn, Phädon oder über die Unsterb­lichkeit der Seele, in drey Ge­sprächen, Berlin/Stettin: Friedrich Nicolai 1776; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März. Dieses und weitere Objekte zu Moses Mendelssohn finden Sie in unseren Online-Sammlungen.

Zitierempfehlung:

Monika Flores Martínez, Signe Rossbach (2013), Liebes­grüße vom Fromet-und-Moses-Mendels­sohn-Platz!. Das Ehe­paar Mendels­sohn im Stadt­bild von Berlin.
URL: www.jmberlin.de/node/8805

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